Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 25. Samstag den 20. Juni 1835.

Weißenstein.

(Fortsetzung.)

C. Steuer, Zoll ec.

Die directe Steuer (Bete, Beth genannt) betrug im Jahre 1583 16½ Pfund Heller (Gütersteuer); dazu waren alle Güter, welche auf Zwing und Bann von Weißenstein und Dillstein lagen, gezogen; ferner mußte jeder Bürger beider Orte, auch wenn er kein Hofgut besaß, jährlich ein Schilling Heller zahlen (Personalsteuer). Vor dieser Beth waren nur das Schloß und die dem Heiligenfond gehörigen Wiesen ausgenommen. Auch die Aecker auf dem Roth waren, so lange sie als Aecker benutzt wurden, bethfrei.

Der Wasserzoll gehörte zum Schloß. Er hat sich, so wie in der mitgetheilten Lehnsurkunde angegeben ist, mehrere Jahrhunderte hindurch erhalten.

Für die Mühle mußten Dill- und Weißenstein 2 Pfund Heller bezahlen, wogegen sie laut eines Vertrags von 1530 nicht mehr verpflichtet waren, in dieser Mühle zu mahlen. Außerdem aber mußte der Beständer der Mühle — die ein Erblehen war — noch 4½ Pfund Heller jährlich entrichten.

Von Wein und Bier mußte bekanntlich früher zweifache Abgabe erlegt werden: Alt-Umgeld und Maas-Pfennig (wozu später noch das neue Umgeld kam). Die Weißensteiner waren von den ältesten Zeiten an frei vom Maaspfennige und hatten nur das alte Umgeld zu bezahlen; mußten aber die alte (große) Maas schenken.

Hierher gehört auch noch der Fischwasserzins, der im Jahr 1683 nicht weniger als 29½ Gulden betrug.

D. Kirchliche Verhältnisse.

In den ältern Zeiten gehörten Dill- und Weißenstein nebst Huchenfeld zur Altstädter Pfarrei in Pforzheim, aber schon früh geschah darin eine Aenderung. Beide Gemeinden mußten früher nicht allein den Gottesdienst in Pforzheim besuchen, sondern sogar ihre Todten in Pforzheim beerdigen lassen. Von letzterm beschwerlichen Zwang machte sich zuerst die Gemeinde Huchenfeld los; durch einen zwischen dem Weihbischoff von Speier, (in dessen Bisthum auch Pforzheim nebst der Umgegend gehörte) dem Pfarrer in der Altstadt und der Gemeinde Huchenfeld geschlossenen Vertrag von 1496 erhielt letztere das Recht, ihre Todten auch fernerhin in Huchenfeld begraben zu dürfen (Gehres S. 57). Dill- und Weißenstein erwarben sich das nämliche Recht erst hundert Jahre später. Im Jahre 1595 legten die beiden Orte auf Befehl der Regierung ein gemeinschaftliches Begräbniß an.

Aus den ältesten Zeiten ist nichts bekannt. Nur eine, wenn gleich undeutliche Spur finden wir darüber. In einer Urkunde nämlich, von Jahre 1258, vermöge welcher Mathilde, genannt vom steinerwen Haus (Steinhaus), Wittwe des 1258 gestorbenen Schultheißen, Erlewin Liebener, von Pforzheim, den Mönchen in Herrenalb einige Güter in Durlach schenkte, kommt als Zeuge dieser Schenkung unter andern auch vor: Godibertus, clericus de Wizzinstein. Clericus heißt ein Geistlicher, und wir konnten daraus schließen, daß Weißenstein in den ältesten Zeiten eine eigene Pfarrei war, wenn dies nicht unwahrscheinlich wäre; die Sache verhielt sich aber so: Weißenstein war zwar ein Filial der Altstädter Pfarrei in Pforzheim, besaß aber einen beständigen Geistlichen, einen Caplan. Vielleicht war dies auf Betrieb der alten Herren von Weißenstein geschehen. Noch lange nachher, als schon längst Weißenstein keinen besondern Geistlichen mehr hatte, bestand noch die Caplaneipfründe daselbst, welche aber späterhin von der geistlichen Verwaltung in Pforzheim eingezogen wurde (um 1600).

Weißenstein wurde jedoch schon in sehr frühen Zeiten von der Altstädter Pfarrei in Pforzheim getrennt, und der Pfarrei Brötzingen als Filial zugewiesen. Der Pfarrer von Brötzingen mußte alle Freitage in Weißenstein predigen und Kinderlehre halten, wofür er aus dem Heiligenfond jährlich 10 fl. erhielt. Späterhin jedoch wurde Weißenstein auch wieder von Brötzingen getrennt, und dem indessen zu einer Pfarrei erhobenen Huchenfeld zugewiesen. Dillstein jedoch blieb bis in die neuere Zeit Filial der Altstädter Pfarrei (mit Ausnahme der Jahre 1687 — 90, in welchen es von Huchenfeld aus versehen wurde); erst den 23. May 1812 geschah die Verbindung Dillsteins mit Huchenfeld, daß nun Dill- und Weißenstein, wie in bürgerlicher Hinsicht, so auch wieder in kirchlicher Hinsicht vereinigt, zusammen ein Filial Huchenfelds bilden. In jenen ältern Zeiten des 16ten Jahrhunderts, als Weißenstein nach Brötzingen, Dillstein nach Pforzheim gehörte, war die Nagold die Grenze zwischen beiden Orten, woraus zu Anfang der 1600er Jahre der sonderbare Fall entsprang, daß, während alle Weißensteiner nach Brötzingen verpfarrt waren, ein Weißensteiner Bauer zur Altstadt in Pforzheim gehörte, weil er jenseits der Nagold wohnte.

Interessant ist die Nachricht über das Jahr der Gründung einer Kinderschule (d. h. der gewöhnlichen Schule) in Weißenstein. Der Mößner in Weißenstein war nämlich früher von Gericht und Rath in Weißenstein angenommen worden; ein Mößner, Hans Kercher, erhielt jedoch den Befehl, zugleich eine Kinderschule zu halten, weßwegen er auch von dieser Zeit an nicht mehr vom Gericht und Rath von Weißenstein; sondern vom Fürsten bestellt wurde. Zur Besoldung erhielt er außer Benutzung der Heiligenwiesen (ein Morgen, wovon er jedoch als jährliche Gilte 1 fl. 3 Batzen bezahlen mußte), noch 2 fl. aus der geistlichen Verwaltung und ein Malter Korn. Dieß geschah im Jahre 1598 nach einem fürstlichen Befehle vom 29. April desselben Jahrhunderts.

Außerdem befand sich hier auch noch ein anderer Fond für kirchliche Zwecke, — der Heilige unserer lieben Frauen — wahrscheinlich zu einer Kapelle ec. gehörig. Er wurde aber zu Ende des 16ten Jahrhunderts nebst der Caplaneipfründe zur geistlichen Verwaltung in den allgemeinen Fond für kirchliche Angelegenheiten gezogen.

Der hauptsächlichste Bestandtheil der zu Dill- und Weißenstein fallenden Einkünfte der Geistlichen, durch welche der Gottesdienst in Weißenstein versehen werden mußte, bestand in dem großen und kleinen Zehnten auf der ganzen Dill- und Weißensteiner Gemarkung und einem Stück Feld auf Brötzinger Gemarkung, der Windenacker genannt, welches früher zum Schloß in Weißenstein gehörte, später aber verkauft wurde. In diesen Zehnten theilten sich die Geistlichen in der Altstadt zu Pforzheim und zu Brötzingen. Der ganze Zehnt wurde aber schon im Jahre 1539 verkauft und gehörte von da an zu den Schloßgütern. — Ausgenommen waren davon ein Stück Wiesen jenseits der Nagold, genannt das Büttengut, dessen Zehntertrag nach Huchenfeld, und die zum Schloß gehörigen Güter auf Pforzheimer Gemarkung, von denen, nach Pforzheimer Recht, kein kleiner Zehnt gegeben wurde. Außer dem großen Zehnten von Roggen, Waizen, Dinkel, Gerste, Haber, Erbsen, Bohnen und Heidekorn, und dem kleinen von Hirsen, Rüben, Flachs, Hanf gaben die Weißensteiner in den ältesten Zeiten auch noch Hühner-, Vieh- und Obst-Zehnten, lösten ihn aber im Jahre 1539 für 14 fl. ab (alte Gulden).

Einkünfte des Gutsherrn.

Mehrere derselben sind schon genannt worden: so die zum Schloß gehörigen Lehengüter von etwa 8 Morgen Garten, 71/2 Morgen Wiesen und 40 Morgen Wald; ferner die Buß-, Frevel- und Strafgelder, Leibeigenschaftsgelder und Gefälle, Wasserzins, Beth (Gütersteuer), Mühlzins, Zehnten ec.; außer diesen aber bestanden die Einkünfte des Schloßbesitzers hauptsächlich aus Gülten.

Im Jahr 1585 war der Stand der Schloßeinkünfte, mit Ausnahme der Zehnten und der Strafgelder, die sich nicht berechnen ließen, folgender:

Bethgeld 16½ Pfund Heller.
Mühlzins " "
Hellergülten 28 Pf. 1 Schill. 2 Hlr.
Geldzins aus den verzäunten Gärten 9 " 4 "
Ablösliche Gülten 2 Pf. 12 Schill.
Wasserzins 10 Gulden 1/6 Ort.
Geldzins aus den Schloßgütern 80 "
Aus der an die Pforzheimer Hafnerzunft
verliehenen Lettengrube 14 Schill.
Von alten Zeiten her 13 Martinsgänse; man zahlte am Ende des 16ten Jahrhunderts für jede 14 Pfennig, zusammen 1 Pf. 12 Schill.
Martinihühner 30, jede wurde bezahlt mit 6 Pfennig, macht
1 Pf. 10 Schill.
Sommer-
Fastnachts- } Hühner, 100, ebenso: 5 Pf.
Macht zusammen nach unserm Gelde: 277 fl. 37 kr.

So viel betrugen die Einkünfte des Schlosses Weißenstein mit Ausnahme der Zehnten u. s. w. gegen Ende der 1500er Jahre. Mag es freilich für jetzige Zeit als ein sehr geringes Einkommen, eines angesehenen Lehensmannes, was der jeweilige Besitzer von Weißenstein immerhin war, erscheinen, so war es doch, wenn man die damaligen Geldverhältnisse mit den jetzigen vergleicht, nichts weniger als unbedeutend.

Um denjenigen, welchen etwa die Reducirung der genannten Abgaben ec. interessiren möchte, den Schlüssel dazu in die Hand zu geben, setzen wir das Verhältniß der ältern und neuern Geldsorten her:

1 Pfund Heller oder Pfennig (gleichen Werthes; nur war die Summe der auf ein Pfund kommenden Pfennige noch einmal so groß als die der Heller), betrug nach unserm Gelde 1 fl. 28 kr.
1 (alter) Schilling Pfennig oder Schill. Heller
(auf ein Pfd. gehen 20 Schill.) fl. 43/5 kr.
1 alter Gulden hatte 4 Ort oder 14 neue Schillinge
und beträgt 2 " "
1 neuer Schilling so viel als 2 alte, also " 84/5 "
1 Ort " 30⅞ "

(Fortsetzung folgt.)


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.
9.

Fortsetzung.

Noch eine gute Weile blieb er, als die beiden schon den Thurm verlassen hatten, unter der Thür des leeren Gefängnisses stehen, ganz der Vorsicht vergessend, die ihn hätte ermahnen sollen, so schnell als möglich sich zu entfernen. Er dachte in dem Augenblicke nur an die Rettung des befreiten Gefangenen, und so manches andere, was sich daran knüpfte, nicht an die eigene. Es war ihm so wohl; er hatte ja jetzt seinem Freunde einen Theil der Schuld bezahlt.

Ein verworrenes Geräusch von Stimmen, das sich schnell dem Thurme näherte, weckte ihn aus seinen Gedanken. Er horchte auf, und erkannte deutlich die Stimme des Paters Ignatius. Er ahnte dessen Zweck, und begann nun für sich zu fürchten. Aber es war zur Flucht zu spät, denn schon hörte er den Pater in Begleitung einiger Soldaten vom Eingange her dem Gefängnisse Tischingers zueilen. Schnell zog er sich in das Gefängniß zurück, und verwahrte die Thüre von innen, so gut die schrecklich-kurze Zeit es zuließ. Er war aber ruhig. Er sah wohl, daß er jetzt vom Leben Abschied nehmen müsse, aber er war dem Tode schon so oft nahe gewesen, hatte ihm schon oft in seinem unruhevollen Leben kühn ins Auge geblickt, ohne zu zittern. "Warum sollte ich jetzt zittern? Mußte ja mein Lebenslauf ohnedem bald zu Ende gehen! Ob es aber einige Wochen oder Tage früher oder später geschieht, was liegt daran? Das Tagewerk meines Lebens ist vollendet, und ich schließe es mit guten Gewissen. So fahre dahin! Vater! ich komme! Herr! sorge du für die, welche ich hinterlasse, da ich es nicht mehr kann."

"Wo ist die Schildwache?" rief der Pater. "Oeffnet die Thür!" Sie war verschlossen. "Gefangener! öffne!"

"Was soll ich?" erwiederte Missel, so sehr wie möglich der Stimme Tischingers nachzuahmen suchend, denn jeder Augenblick, um welchen er die Entdeckung, daß der Gefangene entflohen sey, verschieben konnte, war von der größten Wichtigkeit.

"Die Thüre öffne!" erwiederte der Pater.

"Wie kann ich das? Ihr seid doch nicht so unklug, daß ihr die Oeffnung der Gefängnißthüre der freien Willkühr des Gefangenen überlaßt," erwiederte von innen der alte Missel.

Der Mönch und die Soldaten besprachen sich jetzt. Die Abwesenheit der Schildwache schrieben sie einer Pflichtversäumung zu, da die vermeinte Anwesenheit des Gefangenen zu keinen andern Gedanken Anlaß gab. Einige Soldaten wurden ausgesandt, um die Schildwache zu suchen. Diese aber, als sie den Lärm hörte, errieth nun die Ursache desselben leicht, und suchte schnell aus dem betäubten Zustande der Trunkenheit erwacht, ihr Heil in der Flucht. Ob es gelungen, wissen wir nicht.

Diese Zögerung dauerte dem Mönche zu lange.

"Erbrecht die Thüre!" schrie er, dessen Wuth durch diese Verzögerung auf’s höchste gesteigert ward, "ich will’s verantworten!"

Die Soldaten folgten willig. Aber die harte eiserne Thüre innerhalb von Missel durch einige Querhölzer gesperrt, widerstand lange ihren Bemühungen. Endlich rissen die Bänder loß, und die Thüre stürzte.

Ganz erhizt, wie nach der Belagerung einer Festung, drangen die Soldaten in’s Zimmer, voraus der Pater. Aber wer beschreibt sein Erstaunen, als der vor ihm Stehenende nicht der junge Tischinger, sondern der alte Missel war.

Der Pater fuhr zurück, wie vor einem Gespenst. Er vermochte im ersten Momente, wo die grimmigste Wuth getäuschter Rache ihn erfüllte, kein Wort hervorzubringen. Starr aber mit Augen, in denen jeder Blick ein Todesurtheil zu sprechen schien, stand er eine Weile da, das Gegenstück Missels, der mit vollkommner Ruhe im Antlitz vor dem ergrimmten Ignatius stand.

"Wo ist der Gefangene?" brüllte er den Hochwächter an.

"Ich weiß es nicht," antwortete der Gefragte ruhig.

"Du lügst, schurkischer Graubart! Du selbst hast ihn befreit! Wie lange ist’s, daß er entflohen ist?"

"Ich und mein Bart, Herr Pater, sind, wie ich hoffe, mit Ehren grau geworden, und wenn ich den Gefangenen befreit hätte, so würde das meinen grauen Haaren sicherlich keine Unehre bringen."

"Wie lange ist’s, Schurke, daß der Gefangene weg ist? antworte mir, oder ich will dir die Zunge lösen!" rief der Mönch.

"Wenn ihr es doch wissen wollt: Er ist fort und lange genug, um vor Eurer Verfolgung sicher zu seyn," erwiederte Missel.

"Wie viel Stunden sind es?" schrie der Mönch.

"Hm! entgegnete der Bürger, es kommen und gehen im Leben so viele Tage, Stunden, Minuten, daß man sie unmöglich immer so genau zählen kann."

Der Pater der wohl sah, daß sich Missel nicht einschüchtern lasse, und daß kein Geständniß aus ihm herauszubringen sey, sah ihn mit einem Blicke höchster Wuth an.

In diesem Augenblick kehrten die zur Aufsuchung der Schildwache ausgesandten Soldaten zurück, hatten aber nichts mehr von ihm gefunden, als seinen Hut.

Die Soldaten besprachen sich unter einander, über die sonderbare Begebenheit. Stimmen wurden allmählich lauter und heftiger, und plötzlich schrie eine Stimme: "Er hat ihn ermordet!" — "Er hat ihn ermordet," schrie mehr als eine Stimme nach, weg mit ihm!

Der Beschluß wurde schnell ausgeführt. Wie Rasende stürzten die Soldaten, um den vermeintlichen Tod ihres Kameraden zu rächen, auf den Hochwächter ein, und ehe der Mönch es verhindern konnte, der noch immer ein Geständniß hoffte, sank der Hochwächter von unzähligen Hellebardenstichen und Säbelhieben zerfetzt, röchelnd zu Boden.

(Fortsetzung folgt.)


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