Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 5. Samstag den 31. Januar. 1835.

Hexenprozesse in Ersingen

So sehr zuweilen auch die sonderbaren Aeußerungen des Aberglaubens die Lachlust erregen, so bietet uns derselbe doch nur zu oft Stoff zu ernsterem Nachdenken durch die wahre Herabwürdigung der Menschheit, die sich durch ihn beurkundet, und durch die traurigen Folgen desselben. Die nächste Stelle nach dem religiösen Aberglauben nimmt der Hexenglaube ein, im Mittelalter einer der vorzüglichsten Glaubensartikel. Wie allgemein derselbe verbreitet war, lehrt uns die Bulle Papst Innocenz des VIII. (1484), durch welche die Hexenprozesse eine festere und geordnete Einrichtung bekamen. Unter den auf Innocenz folgenden Päpsten waren manche, die eben nicht zu den rechtgläubigsten gehörten, aber die Hexenprozesse dauerten ungemindert fort, bis endlich die erwachende Bildung des 16ten Jahrhunderts auch hier einige Schritte zur Besserung veranlaßte, und wenigstens die allmählige Aufhebung der förmlichen Hexenprozesse herbeiführte. Freilich vermochten bis jetzt die Bemühungen dreier Jahrhunderte das Uebel nicht ganz auszurotten. Noch am Schlusse des vorigen Jahrhunderts kamen beim hiesigen Amte Klagen über Hexereien vor, und die neuere Schule des Magnetisierens, der 7 Himmel, der Geistererscheinungen von Justinus Kerner, Eschenmeyer u. s. w. droht auch diesen Unsinn, wenn auch in feinerer Gestalt, wieder ins Leben einzuführen. — Um so weniger können wir uns daher, da Fürsten und Gelehrte ohne Unterschied diesem Glauben anhiengen, wundern, wenn das gemeine Volk im Mittelalter, und auch noch später, ihm zugethan war. Auch aus dieser Gegend finden sich Beispiele von gerichtlichen Verhandlungen über Hexen. So erwähnen die alten Akten einer Anna Rockin von Ysingen (Eisingen) als einer Hexe, vom Jahr 1491; ebenso der alten Hebamme Anna von da, im nämlichen Jahre; der Barbara Dreherin und Brigitta Segerin von Dutlingen (Dietlingen) von 1532; Dorothea Hugin von Huchenfeld von 1524; der Hebamme von Pforzheim, die deßwegen den Namen der Unholdin erhielt, 1491; der Katharina Heckin und der Menschin von Bilfingen, aus der nämlichen Zeit. Meist traf zwar der unglückselige Verdacht der Hexerei die Weiber, besonders wenn sie alt, gebeugt und triefäugigt waren; aber es kommen auch Beispiele von Männern vor, die sich mit dem Verhexen abgaben, so zwei Männer von Dietlingen, Eckart und Schnefels von 1533*Registrum, darnach allerhandt der Stadt Pforzheym Hanndlungen zue suchen; im hiesigen Stadtarchive.. Näheres ist über alle diese nicht angegeben, aber ein glücklicher Zufall hat uns noch den Bericht über eine im Jahr 1576 zu Ersingen eingefangene und in Ettlingen verbrannte Hexe aufbewahrt.

Im 23. Oktober dieses Jahres wurde nach altherkömmlicher Ordnung durch Schultheiß und Gericht zu Ersingen unter dem Vorsitze des Frauenalbischen*Ersingen und Bilsingen gehörten bis zum badenbadischen Anfalle 1771 dem Kloster Frauenalb. Amtmanns Christoph Rothfuß, Herrengericht gehalten. Vor allen wurde daselbst die Hebamme von Ersingen, Margarethe, Georg Bauerbachers Ehefrau, der Hexerei bezüchtigt. Sie sey "so ungedultig mit ihren Weiberen, wan sie Kinds niederkomen wöllen, daß Weib und Kindern großer schaden und nachtheil geschehe." Da der Amtmann sie nicht gleich gefänglich einzog, sondern zuerst an die Regierung berichtete, so stieg indessen die Angst vor den Teufelskünsten der Hebamme in Ersingen und Bilfingen so sehr, daß, als der Amtmann den 1. November Rachgericht hielt, Abgeordnete beider Gemeinden vor ihm erschienen und mit vielen Bitten ihre frühere Klage wiederholten. Es werde ihnen täglich viel Viehs angegriffen, gelähmt und getödtet, und das "beschehe
"durch niemand anderes, dann durch die Hebamme, dann
"was sie an Weib und Kindern nit zu wege bringen könt,
"müßte das arme Vieh herhalten." Wer mit ihr, ihrem Manne oder ihren Kindern in Unfrieden gerathe, habe zu erwarten, daß ihm das Vieh angegriffen und dermaßen gelähmt werde, daß es sterben müßte. Sie wären alle bereit, den Tod darauf zu leiden, daß an allem dem die Hebamme schuldig sey. Sie habe auch der Frau des Lorenz Burkard*Margarethe, ebenfalls von Ersingen, im Jahr 1573. Damals saßen drei Weiber der Hexerei wegen daselbst im Gefängnisse. Zwei davon, die genannte Margarethe Burkardin und Katharine Hildebrandin starben zu Baden auf dem Scheiterhaufen; die dritte, Antoni Rors Frau, entleibte sich selbst im Gefängniß. die Kindsbüschelein*Allerlei Kräuter, die man auf das neugeborne Kind legte, oder womit man dasselbe bestrich. Trank dann das Kind an der Mutter, so theilte sich ihr auch das Hexengift mit, woraus böse Brüste ec. entstanden. Die einfältigen Weiber glaubten meist selbst, Hexerei treiben zu können. gegeben, wie diese selbst im Gefängnisse eingestanden habe, Beweises genug, daß die Bauerbacherin eine Hexe sey. Weib und Kind in beiden Dörfern entsetzten sich vor ihr, und es sey zu sorgen, daß es je länger je ärger werden möchte, da allbereits Pfarrer Wolfgang zu Ersingen, so wie auch der Pfarrherr zu Bilsingen kein Kind mehr taufen wolle, wenn die genannte Hebamme dabei sey. Beide Gemeinden bäten daher inständig, man möchte ihnen doch von dem bösen Weibe helfen*S. Deduktion: Das Recht des Marggr. Hauses Baden auf das Kloster Frauenalb, p. 252. Beil. No. 305..

Bald darauf den 16. November erschien der fürstliche Befehl, die Hebamme gefangen zu setzen. Der Kürze wegen möge er vollständig hier stehen:

Philipps von Gottes gnaden, Marggraue zu Baden, Graue zu Spanheim ec. — Liebe Getreue!

Vff dein Schreyben vnd vff mündlich beschehen anbringen beyder Dörfere Ersingen vnd Bülfingen Abgesandter belanngend Margarethen Jörgen Baurbachers Haußfraw puncto Hexenwerks merklich verdacht, ist vußer Befelch, daß du dieselbe alßbald gefänglich einziehest, vnd wohlverwahrlich enthalten, vnd wenn solches beschehen, es alßdann anhero gelangen lassest, soll daruff yemands mit notwendigem Befelch abgeordnet werden.

Datum Baden den 10. Novembris Anno 76.

Schon den 1. Dec. wurde die Hebamme zu Ettlingen verbrannt*S. ebendas. p. 134..

(Schluß folgt.)


Die Auer Brücke.

Da manche unserer geneigten Leser es lieber gesehen hätten, wenn wir eine Chronik, statt eine Darstellung einzelner Begebenheiten und Einrichtungen nach freier Wahl, begonnen hätten, so wollen wir einmal recht chronikenmäßig verfahren, und ihnen erzählen von großen Wassern, von Eisgängen, von Brücken, und zwar diesmal von der Auer Brücke. Sie hieß aber ehemals anders, nämlich Steyninbrucken, Steynbrucken, steinerne Brücke. Eine solche, nämlich eine Brücke mit steinernen Pfeilern führte schon vor 400 Jahren über die Enz. Schon eine Urkunde von 1497 erwähnt ihrer. Sie wurde aber im Jahr 1522 von einem Eisgang abgerissen, und 50 Jahre nachher abermals, worauf dann im Jahr 1573 diejenige Brücke erbaut wurde, wovon die Überschwemmung 1824 die Pfeiler mit fortriß. Sie mußte viele Ueberschwemmungen aushalten, so: 1648, 1687, 1690, 1729. Im letzten Jahre riß das Eis die hintere Brücke mit fort. Die nachher gebaute bedeckte Brücke erhielt sich unversehrt in der Ueberschwemmung von 1784, wurde aber 1799 fortgerissen. Was 1824 geschah, wissen die geneigten Leser selbst. Von dieser Brücke führte auch das Auer Thor früher den Namen: Steinbrücker Thor.


Der Bundschuh,

oder der Bauernaufstand im Jahr 1502.
Historische Erzählung.

Ehe wir die Geschichte beginnen, müssen wir über die Zeitumstände, unter denen sie sich ereignete, etwas beifügen. Im Jahr 1499 führte Kaiser Maximilian mit den Schweizern den sogenannten Schwabenkrieg, welcher den Zweck hatte, sie zu eigentlichen Reichsgliedern zu machen. In diesem Kriege haben viele Landleute aus unsern Gegenden mitgefochten. Diese mögen nach dem, von Seiten der Schweizer glücklich geführten Kriege manche Begriffe von Freiheit in ihr Vaterland zurückgebracht haben, welche die zu Hause schwer gedrückten Beuern mit Freuden aufnahmen. So entstanden die nach einander folgenden Bauernaufstände in unsern Gegenden, im Elsaß ec. ec., welche jedoch leicht wieder zu dämpfen waren, bis nach der Reformation 1524 die Flamme fürchterlicher ausbrach.

Den Namen: Bundschuh hat der Aufstand, den wir hier erzählen, von einem glatten Schuhe mit Riemen, wie man sie noch häufig sieht. Diesen hatten sie als Zeichen in ihren Fahnen, oder auf einer Stange. Auf der andern Seite der Fahne knieete ein Bauer vor einem Muttergottesbilde und betete. Die Unterschrift war: Nichts dann die Gerechtigkeit Gottes.


1.

Am Abende des letzten Decembers 1501 gieng es in Pforzheim fröhlich zu. Die Zünfte der Handwerker zogen unter Musik in ihre Herbergen, lärmende und singende Haufen junger Bursche, die Vorübergehenden mit Schneeballen neckend, füllten die Straßen. Mitten durch dieses Getümmel sah man einen jungen Mann in fremder Tracht durch das Vorstädter Thor in die engen und dunkeln Gassen der Stadt einwandern. Obwohl das Wetter nicht ungünstig war, schien doch der fremde Mann durch eine lange und vielleicht auch eilige Reise etwas erschöpft. Er schien von fernen Landen herzukommen. Es war eine große, kräftige Gestalt, deren männliche Haltung man noch in der Finsterniß wahrnehmen konnte. Ein runder, spitzer Filzhut mit breiten Krempen, das Schwert und das an die kurzen, weiten Hosen angenestelte Wamms bezeichneten einen Kriegsmann, der eine Stelle über dem gemeinen Soldaten eingenommen haben mochte.

Der Fremde war keineswegs unbekannt in unserer Stadt, denn er beugte schnell rechts in ein Nebengäßchen ein und vermied so geschickt die Hauptstraße, wie einer, der in der Stadt geboren ist, oder sich lange Zeit darin aufgehalten hat. Raschen Schrittes passirte er die finsteren Wege, bis er in der Badgasse (das jetzt sogenannte Thäle oder die Waisenhausgasse), vor einem niedern Häuschen stille hielt. Es war die Wohnung eines alten, armen Weingärtners, mit Namen Kunz Vesperleuter. Durch die zerbrochenen Scheiben flimmerte ein schwacher Lichtschimmer, im Häuschen aber war es stille. Der fremde Mann blickte empor gen Himmel: Du hast mich unverletzt zurückgeführt aus den Schlachten, um meinem Vater ein glückliches, neues Jahr zu bereiten! Noch einen Augenblick und ich werde ihn sehen am Kamine sitzen und die alte Judith liest ihm das Abendgebet vor. Mit diesen Worten näherte er sich dem Häuschen, stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte einen Augenblick durch die trüben Fenster in das ärmliche Stübchen: Plötzlich stürzte er mit einem Schrei des Entsetzens zurück, seine Kniee wankten, er zitterte stark und kaum mochte er sich noch aufrecht zu erhalten. Todesstumm blickte er eine Weile in die dunkle Nacht, bis ihn die lärmende Musik im benachbarten Wirthshause aufweckte. Rasch klopfte er an der Thüre des Häuschens, eine alte Frau öffnete bedächtlich halb die Thüre: "Lasset die Todten ruhen, kommt lieber morgen, wenn Ihr etwas von uns armen Leuten wollt." Seyd gegrüßt, Judith, entgegnete hastig Konrad Vesperleuter, (denn der Leser wird schon in dem Fremden des Sohn des alten Weingärtners vermuthet haben). Mein Vater, mein Vater! "Bei der Maria und allen Heiligen, schrie die Alte, du bist’s, geliebter Konrad, wir glaubten, du wärest gestorben, aber nun ist Er todt." Er aber hörte nicht die Worte der alten Frau, er war hineingestürzt in das kleine Zimmer. Es war eng und kalt, die Winterluft drang durch manche offene Ritze in der Wand. Ein schlechtes Lager stand in einer Ecke, den übrigen Raum nahm ein Tisch und einige alten Stühle ein. In der Mitte stand ein aus rohen Brettern zusammengefügter, offener Sarg, in dem ein alter Mann lag. Sein Antlitz war schrecklich verzerrt, seine weißgrauen Haare waren noch zum Theil mit Blut gefärbt; auch Brust und Arme zeigten deutliche Spuren eines gewaltsamen Todes. Der Sohn knieete hin vor die Bahre seines gliebten Vaters: So muß ich dich wieder finden, alter Mann, rief er schluchzend, deine Thränen wollte ich dir trocknen und ich finde dich so! Vater, theurer Vater, sprich doch nur noch Ein Wort! Wer hat dir diese Wunden geschlagen? "Er kann Euch nicht mehr Antwort geben, guter Konrad, der gestrenge Herr, der Sachsenheim, hat ihn schwer auf den Kopf getroffen, und seine Hunde haben ihn vollends todtgebissen." Vesperleuter stand auf und weinte nimmer. "Es war ein schlimmer Morgen, lieber Konrad, als er fortgieng mit dem Wildfallen, er aber meinte, das neblichte Wetter wäre gerade recht. Die Nacht vorher hatte ich böse, böse Träume; aber nichts half, er gieng. Auf unserm kleinen Aeckerlein auf dem Roth hat uns das Wild immer so vielen Schaden angerichtet, und schon zwei Tage hatten wir nichts mehr zu essen; deßwegen hat er die Fallen gestellt, aber als er wieder darnach sehen wollte, hat ihn der Sachsenheim angetroffen; Mittags brachte man ihn todt. Und nun wollen sie ihm, setzte sie weinend hinzu, sie wollen ihm kein ehrlich Begräbniß geben, weil er beim Diebstahl erschlagen worden sey. Der Schreiner, unser Nachbar, hat aus Mitleid diese Bahre umsonst gemacht."

Konrad war verstummt über der Erzählung, er schien über etwas zu brüten. Die Alte trocknete mit ihrer Schürze sich die Thränen ab. Tröstet Euch, sprach endlich Konrad gefaßt, ich muß mich auch trösten, kommt, wir wollen die Bahre schließen bis für den jüngsten Tag. Er ist ja jetzt bei meiner seeligen Mutter, was hilft das Jammern.

Ihr müßt mir aber noch einen Gefallen thun, gute Frau, thut’s meinem todten Vater zu lieb! Helft mir ihn begraben, und zwar noch diese Nacht. Ich kann nicht länger bei Euch bleiben, ich habe noch wichtige Geschäfte. Nach einer Weile sah man beide das Häuschen verlassen, Judith verschloß es sorgfältig. Sie trugen Spaden und Haue. Noch vor Mitternacht kamen sie zurück vom Gottesacker. Judith half Konrad den Sarg auf seine starke Schulter heben und folgte ihm in einiger Entfernung nach. Er schlug Nebenwege ein, die zum Kirchhofe bei der Altstädter Kirche führten, so daß er nicht wohl von Jemand bemerkt werden konnte. Neben dem offenen Grabe, das sie hinter einem dichten Hollunderstrauche an der Mauer aufgeworfen hatten, stellten sie den Sarg nieder. Eine große Thräne zitterte im Auge des Sohnes und die gellenden Töne eines Dudelsacks und einer Querpfeife, welche herüberschallten vom Wirthshause zum Sternen, übertäubten das laute Weinen der alten Judith. Sie senkten ihn hinab, und Konrad warf die ersten Schollen Erde hinunter. "So schlafe wohl, wohl auf ewig," schrie Judith. Vesperleuter war still und männlich gefaßt. "Wir wollen noch für seine Seele beten." Sie knieeten nieder und beteten lange. Vom Thurme erschallte der zwölfte Glockenschlag. Sie standen auf und bedeckten den Sarg mit der Erde. "Hier, liebe Frau, ist etwas für Euch, Ihr habt meinem Vater lange und treu gedient, es ist wenig, aber nehmt es. Ich muß Euch verlassen. Ein Geschäft ist verrichtet, aber ein anderes wartet noch auf mich. Das Häuschen werden die Gläubiger nehmen, es ist gut. Ich brauche kein Haus. Judith weinte laut. Unterdessen waren sie bis an das Thor des Kirchhofs gelangt. Konrad schaute noch einmal zurück nach dem Grabe seines Vaters. Der Schmerz schien ihn niederzudrücken, aber er weinte nicht. Schnell drückte er der Alten die Hand: "Betet für mich, liebe Frau!" Ehe sie aber ein Wort hervorbringen konnte, war er im Dunkel der Nacht verschwunden.

(Fortsetzung folgt.)


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