Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 1. Samstag den 3. Januar. 1835

An die Leser.

Wir glauben, dem lesenden Publikum mit der Erscheinung unseres Blattes einige nähere Erklärungen schuldig zu seyn. Die Gründe, welche uns bewogen haben, diese wöchentliche Schrift erscheinen zu lassen, haben wir schon in der Anzeige im Beobachter gehörig auseinandergesetzt. Hier seyen nur noch einige Worte über die nähere Form, in der unsere Aufsätze erscheinen werden, kurz beigefügt.

Die Tendenz, die wir in diesen Blättern zu verfolgen bemüht sind, ist: den Bürger und den Landmann über die Geschichte Pforzheim’s und der Umgegend so viel als möglich, aufzuklären. Solch eine Geschichte darf aber naturlicher Weise nicht in der Sprache der Gelehrten abgefaßt seyn, wenn sie ihren Zweck nicht verfehlen soll. Styl und Erzählungsweise müssen so gehalten seyn, daß sie für Niemand unverständlich und dunkel seyen. Wenn deßwegen der wissenschaftliche Kenner der Geschichte, der unsere Blätter liest, sie unbefriedigt aus der Hand legen wird, so möge er doch bedenken, daß sie nicht für den gelehrten Gechichtskundigen geschrieben sind, sondern nur für dasjenige Publikum, das manches noch gerne lernen möchte.

Ebenso müssen wir dem antworten, der in dem ganzen Unternehmen nur eine spießbürgerliche, reichsstädtische Eitelkeit zu finden bemüht ist.

Besteht denn die ganze Weltgeschichte in etwas anderem, als in der vernünftigen Zusammenstellung und Erzählung der in einandergreifenden Einzelgeschichten? Oder giebt es überhaupt in der Weltgeschichte Punkte, die, seyen sie auch durch ihre enge Begrenzung beinahe gänzlich aus dem Auge zurückgetreten, deßwegen uninteressant oder gar lächerlich werden? So lange Menschen handeln, so lange giebt es eine Geschichte, sey es nun die Geschichte des römischen Weltstaates, oder seyen es bescheidene Darstellungen der speziellsten Begebenheiten eines kleinen Städtchens. Auch das kleinste und unbedeutendste Faktum knüpft sich immer an einen größern Lichtpunkt in der Weltgeschichte an, und gerade die Darstellung, wie solch kleine Ereignisse oft in‘s große Rad der Zeit eingegriffen haben, ist die getreueste Geschichte der Menschheit.

Zudem verweisen wir Jeden, dem unser kleines Unternehmen lächerlich scheint, auf unser Motto, welches allein schon uns entschuldigen könnte.

Unserm Versprechen gemäß sind die Aufsätze eingetheilt in rein historische, welche immer den Haupttheil des Blattes einnehmen werden, und kleine Erzählungen, entnommen aus der Geschichte Pforzheim’s und der Umgebungen. Dem Hauptinhalte der novellenartigen Aufsätze werden immer Data aus der reinen Geschichte zu Grunde liegen.

Ebenso verhält es sich mit den Gedichten, welche wir von Zeit zu Zeit einrücken werden.

Jeder Aufsatz, welcher dem angezeigten Zwecke unseres Blattes nicht ganz entgegen ist, wird mit innigem Danke angenommen werden, ebenso wird die Redaktion jede mündliche Mittheilung, die zur Aufklärung in der Geschichte Pforzheim’s beitragen könnte, getreulich benützen.

Zugleich machen wir das hiesige Publikum darauf aufmerksam, daß manchmal in alten Bibeln oder Gebetbüchern, so wie in alten Kaufbriefen oder sonstigen Alten vieles Schätzbare, z. B. Geschlechtsregister von einzelnen Familien, gefunden werden; Mittheilungen solcher Art, schriftlich oder mündlich, werden uns sehr verbinden.

Ebenso möchten wir die Ortsvorgesetzten der umliegenden Dörfer um gütige Mittheilungen ansprechen.

Wer Zweifel über einzelne erzählte Fakta, über die Richtigkeit der Namen, der Zahlen oder Personen hegen möchte, wird gebeten, sie uns gütigst wissen zu lassen, denn oft ist eine einfache Aussage mehr werth, als alle gelehrten Forschungen.

Somit übergeben wir unsern lieben Mitbürgern diese Blätter, die gerne kein größeres Publikum finden möchten, und die schon hinlänglich zufrieden sind, wenn nur die Nachkommen der Väter, deren Geschichte sie erzählten, ihnen einigen Beifall zu schenken geneigt sind.

Die Redaktion.


Pforzheim am Schlusse des 17ten Jahrhunderts*Quellen dieser Erzählung sind die Stadtrathsprotokolle und Bürgermeisterrechnungen von den Jahren 1688 und folgende. Die Stellen einzeln anzugeben, würde zu weit führen. Wo andere Quellen benutzt sind, werden solche angegeben..

Vorbemerkung. In den meisten Schriften und Akten der damaligen Zeit ist die Zeitrechnung noch die des julianischen Kalenders. Um Irrungen zu verhüten, ist im Text der alte Styl beibehalten, und der neue in der Klammer angegeben.

1. Vom Oktober 1683 – 11. (21.) Januar 1689. Erster Brand.

Nachdem bereits manche Gegend im Jahr 1688 unter den Plünderungen und Brandschatzungen der französischen Streif-Corps geseufzt, begannen endlich gegen Ende Septembers die Franzosen auch auf dem rechten Rheinufer sich zu verbreiten. Den 21. Septbr. (1. Okt.) fieng die Belagerung Philippsburgs an unter Bouffleur und la Bretèche. Noch war Philippsburg nicht gefallen, als Marschall Duras den 14. (24.) Oktober Heidelberg, den 21. (1. November) Mannheim und den 8. (18.) November Frankenthal besetzte.

Die Belagerung Philippsburgs war der Anfang der langen Leiden, die Pforzheim trafen. Es wurde schon mit harten Fruchtlieferungen gedrückt, die indessen mehr einzelne Bürger, als die Bürgerschaft überhaupt trafen*Nicht weniger denn 210 Malter nur an Hafer blieben mit der Bezahlung im Rückstand.. Aber allmählig rückte die Gefahr der Markgrafschaft näher. Die Herrschaft ließ schon seit dem 14. Oktober alle Früchte von den Dörfern einholen, wozu aus der ganzen Umgegend die Fuhren requirirt wurden. Am nämlichen Tage kam ein Befehl hierher, sich bei der nahenden Kriegsgefahr ruhig zu verhalten. Es mußte beständig eine ziemliche Anzahl Pferde bereit stehen. An den Thoren war strenge Wachsamkeit. Kein Bürger durfte ohne Anzeige und erhaltene Erlaubniß die Stadt verlassen.

Endlich näherte sich den 10. (20.) Oktober eine starke Abtheilung französischer Truppen unter den Generalen Montclar und de Fequier der Stadt. Trotz dem Widerspruche vieler Bürger siegte endlich, da man freilich noch keine Ahnung davon hatte, was der Stadt durch diese Gäste würde bereitet werden, die Furchtsamkeit des Stadtraths, und die Franzosen wurden eingelassen*Ein Bürger, Johann Ungerer, der nachher einigen Mitgliedern des Stadt-Raths deßwegen den Vorwurf der Feigheit machte, sollte gestraft werden.
General Montclar nahm seinen Sitz im Schlosse; de Frequier als Commandant in dem von Menzingischen (jetzigen Kummerischen) Hause auf dem Markte; die übrigen höhern Offiziere suchten sich andere schöne Hauser in der Stadt aus: Marquis de l’Ancre, Oberstlieutenant la Rode, Vicecommandant unter de Frequier, Major Crozel ec; die Hauptwache war in der Herberg zur Höllen von Otto Beckh (jetzige Breidtsche Bierwirthschaft.)
. Da der Befehlshaber den Unwillen der Bürger merkte, versicherte er aufs Höchste, daß ihnen nicht das geringste Unrecht geschehen solle: sie seyen ja Freunde und wollten die Bürger auch als Freunde, nicht als Feinde behandeln. Es wurde auch Anfangs ziemlich Ordnung gehalten; Billetschreiber wurden ernannt und die Soldaten regelmäßig einquartiert. Alles dies war aber nicht vermögend, die Unzufriedenheit zu beschwichtigen, besonders, da die Vorstädte*Sie mußten jedoch ihren Beitrag in Geld geben. von Einquartierung befreit und bewegen die Einwohner der eigentlichen Stadt bei der starken Truppenzahl (es mögen mehrere Tausende gewesen seyn) allzusehr gedrückt waren. Dieser Druck vermehrte sich noch bedeutend durch die seit dem November beginnenden Verationen. Zwar verließ der rohe de Frequier bald die Stadt und zog nach Franken, wo er überall brandschatzte und zerstörte. Ihm folgte als Commandant Charmazel, der aber, wie die Erfahrung lehrte, seinen Instruktionen gemäß, nicht anders verfuhr, als sein Vorgänger. Kein Bürger durfte ohne ausdrückliche Erlaubniß die Stadt verlassen, noch weniger Mobilien ec. außerhalb der Stadt verkaufen, wodurch sich viele Bürger in ihrer Geldnoth hatten helfen wollen*Die vorfallenden Schikanen fielen oft ins Kleinliche und schienen auf Erbitterung berechnet zu seyn, so mußte z. B. der Thorwächter im Schlosse dem Pferde des Generals Montclar einen Schoppen Branntwein geben, wofür der Kostenzettel von 10 kr. der Stadtkasse zugewiesen werden mußte! Bürgermeisterrechnung von 1688. Fol. 124 .a.. Die anfängliche Zucht der Truppen hatte bereits aufgehört, und dies, verbunden mit den drückenden Schanzarbeiten der Bürger, ließ die größte Unordnung fürchten. Die Franzosen beschloßen nämlich, hier ihr Winterquartier zu nehmen, und suchten daher die Stadt so gut als möglich in Vertheidigungsstand zu setzen. Da der Strich zwischen der Ober- und Nonnenmühle, die schwächste Stelle der alten Befestigungen war, so sollte sie durch Wälle und Pallisaden gedeckt werden. Die Bürger mußten nicht allein das nöthige Holz herbeischaffen, sondern auch dabei „Handdienste“ thun. Dies reizte sie noch mehr; sie hatten von jeher sich eifrig vor allem bewahrt, was mit Leibeigenschaftsdiensten nur entfernte Aehnlichkeit hatte.

Die Pforzheimer lebten und webten so zu sagen, in ihren Privilegien, und wachten mit einer Aengstlichkeit über der Aufrechthaltung derselben, die späterhin unruhige Auftritte veranlaßte. Um so widriger war ihnen die Schanzarbeit für Fremde, Feinde. Viele Bürger hatten sich bereits verabredet, wenn der Druck nicht nachlasse, oder wenigstens die Zahl der einquartierten Truppen vermindert werde, die Stadt, wenn auch mit Gewalt, zu verlassen; und die Franzosen drohten, die Stadt zu plündern und niederzubrennen, sobald ein Bürger zu entrinnen versuche. In dieser Noth beschloß der Stadtrath den 29. Nov. (9. Dec.) der Regierung die Lage der Dinge vorzutragen, und bei derselben, wie beim Commandanten, um Verminderung der Einquartierung einzukommen. Allein es half nichts; die Regierung konnte nichts thun, und der Commandant beachtete es nicht, obgleich auf Befehl des Markgrafen von Seiten des Stadtraths alles aufgeboten wurde, um die Commandanten in guter Stimmung zu erhalten. Den 11. (21.) Januar folgenden Jahres 1689 , sey es nun unter dem Vorwande, daß Bürger gegen das Verbot die Stadt verlassen hätten, oder aus Muthwillen, oder um die Bürger durch solche Maaßregeln einzuschüchtern, — brannten die Franzosen einen Theil der Stadt nieder, (darunter auch das Kaufhaus), obgleich die Bürger kurz vorher bedeutende Brandschatzungen hatten zahlen müssen.

Vom ersten bis zum zweiten Brande, 11. (21.) Januar. 5. (15.) August 1689.

Dies war indessen nur das Vorspiel. Und doch war die Gemeinde an sich sowohl, als auch die einzelnen Bürger schon so in Noth gerathen, daß von den 14,117 fl., welche die Stadt für das Jahr 1688 einzunehmen hatte, nicht weniger als 12,264 fl. und im Jahr 1689 12,500 fl. im Rückstande blieben. Die Einkünfte hörten zum Theil ganz auf; der vierte Theil des Pfundzolles (Accises) den die Stadt anzusprechen hatte, und der im Monat August noch 31 fl. 50 kr. betragen, warf im Oktober noch 9 fl. 30 kr., und im November nur 5 fl. 50 kr. ab. Im folgenden Jahre 1689 fiel in Folge der durch die Franzosen erzwungenen Sperre bis zum August gar kein Pfundzoll mehr. Handel und Gewerbe lagen darnieder, die Märkte konnten oft gar nicht gehalten werden, und der Ertrag des Feldbaues, des hauptsächlichsten Nahrungszweiges der hiesigen Einwohner in jener Zeit — so schlecht auch der Feldbau beschaffen war —, gieng durch Einquartierungen, Fourageure u. s. w. zu Grunde, und der geringe Erlös, der der Stadtkasse noch durch Verkauf von Holz u. s. w. zukam, mußte für die einquartierten Truppen zu Holz, Bau von Wachthäusern, Lieferungen von Heu ec. und Unterstützung armer Bürger verwendet werden.

Auch die Umliegenden Orte wurden hart geplagt, zum Theil völlig geplündert. Dadurch gieng auch ein bdeutender Theil des hiesigen Stadtarchivs verloren. Dies war bei wachsender Gefahr nach Liebeneck gebracht worden; aber vieles von demselben wurde von den Franzosen, die davon Nachricht erhielten, und vermuthlich Geld dort zu finden glaubten, zerrissen und umhergestreut. Es finden sich noch Rechnungen der Personen vor, die mit der Sammlung der im Walde umherliegenden Bücher und Urkunden beauftragt waren. Nur die Huchenfelder blieben von der Plünderung befreit. Sie hieben eine bedeutende Anzahl Bäume um und versperrten durch diese Verhaue den Fourageurs und Marodeurs, die den ganzen Hagenschieß durchstreiften, den Weg.

Pforzheim selbst blieb auch nach dem ersten Brande bis in den Sommer von den Franzosen besetzt unter dem Befehle des Duc de Bellefont. Die Quälereien und Leiden der Bürger nahmen zu. Außer jenen Brandschatzungen, welche die Stadt vor dem Brande hatte zahlen müssen, wurden nun noch größere Summen eingefordert; die Winterquartiergelder, die trotz der harten Einquartierung bezahlt werden mußten, stiegen noch höher; die damals noch sehr kleine Markgrafschaft Baden-Durlach allein mußte 24,000fl. Brandschatzungs- und 45,000 fl. Winterquartiergelder zahlen, woran Pforzheim, damals die größte und bedeutendste Stadt der alten Markgrafschaft, das meiste beischaffen mußte. Wie schwer und drückend diese Kriegsgelder den Bürgern waren, läßt sich daraus abnehmen, daß den 18. (28.) April, um die Kriegsgelder einziehen zu können, alle Thore der Stadt gesperrt werden mußten.

Im Laufe des Sommers zogen diese Truppen wieder ab, nachdem sie die Stadt in eine solche Noth gebracht hatten, die es kaum für möglich halten läßt, wie die Bürger im Stande waren, die kommenden noch größeren Leiden zu tragen. Der Wohlstand der Stadt war ohnehin nicht sehr groß; er blutete noch von den Wunden, die ihm der 30jährige Krieg geschlagen. Viele Familien lebten noch von dieser Zeit her in tiefer Armuth. Die Gemeinde selbst hatte im Laufe desselben viele Schulden machen müssen, während ihre eigenen Ausstände verloren giengen.

(Fortsetzung folgt.)


Sitten und Gebräuche früherer Jahrhunderte.

Die Gerichts- und Rathsverwadten der guten alten Zeit tranken gerne, was gut war. Bekannt ist des Kanzlers Achtsynit Stiftung von 100 fl., wovon die Zinsen (5 fl.) jährlich am Tage der Bürgermeister-Wahl vertrunken werden sollten. Dafür wurde im Jahre 1688 verzehrt: vier Maas spanischen Wein, die Maas zu 1 fl. 4 kr.; ferner Mastir für 12 kr. und Semmel für eben so viel. In Jahren, wo wegen unterbliebener Bürgermeister-Wahl auch kein Stiftungswein vertrunken wurde, ist dies in den städtischen Rechnungen, als etwas Wichtiges, getreulich bemerkt.


Unter Verantwortlichkeit von G Lotthammer.
Drucker: K. F. Katz.

nächster Teil