Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 14. Samstag den 4. April 1835.

Pforzheim am Schlusse des 17ten Jahrhunderts.
Zweite Abtheilung.

2. Neue Verwüstungen. Treffen bei Pforzheim. Dritter Brand 1692.

(Fortsetzung.)

Bei der Lage Pforzheims an einer Hauptstraße war die Stadt bei allen Truppenmärschen der Einquartierung und Mißhandlung ausgesetzt, und so kommt es auch, daß fast jeder Zug einer Armee durch eine Plünderung oder Verwüstung Pforzheims bezeichnet ist. Dies Schicksal traf die Stadt auch im Jahre 1692 doppelt schwer.

Die Bürger, welche sich bei der Plünderung im Monat August des verflossenen Jahres zerstreut hatten, sammelten sich nun allmählich wieder mit Ausnahme derer, die sich in andern Orten häuslich niedergelassen hatten. So klein auch die Zahl der Bürger war, so ist es doch fast unbegreiflich, wie sie sich noch ernähren konnten, denn der Mangel und das Elend waren schon so allgemein, daß selbst einige Mitglieder des Gerichts und Raths, die sonst unter die wohlhabendsten der Stadt gehörten, mit den schuldigen Zahlungen innehalten, und um Nachlaß einiger Zinsen ansuchen mußten. In einem schreienden Mißverhältnis standen damit die bedeutenden Geldanforderungen an die hiesige Bürgerschaft auch in diesem Jahre. Die Summe der für das Jahr 1692 zu zahlenden französ. Contribution betrug 833 Gulden; zur Montirung von 3 Reitern, 3 Dragonern und 24 Infanteristen*Ein Reiter kostete damals 130 Gulden, ein Dragoner 120 Gulden, und ein Infanterist 20 Gulden., welche dem Amte und der Stadt Pforzheim zu werben anbefohlen waren, mußte die Stadt 410 Gulden bezahlen. Dazu kamen auch noch die beständigen Kosten der in Strasburg gefangen sitzenden hiesigen Bürger, welchen für dieses Jahr 200 Gulden gesandt wurden.

Die Entrichtung aller dieser Forderungen fiel den Bürgern zu schwer. Der früher gemachte Versuch, auch die gefreiten Personen zur Mittragung solcher allgemeinen Lasten zu bewegen, war nur zum Theil gelungen, Die Bürger drangen nun um so ernstlicher darauf, da diese gerade die vermöglichsten waren. Sie beschlossen, eine Bitte an den Markgrafen selbst einzusenden, mit dem Bemerken, "daß, wenn nicht auch ein Beitrag von Seiten der Adelichen, geistlichen und weltlichen Bedienten erfolge, die Bürgerschaft unmöglich mehr alles prästiren könne. Auch sei es im 30jährigen Kriege ebenso gehalten worden. Man bäte aber nicht nur um Bewilligung, sondern auch um Bestellung gewisser Personen, die sich ernstlich der Sache annähmen." Ihre Bitte wurde aber erst später erfüllt.

Im September dieses Jahres wurde Pforzheim zum drittenmale niedergebrannt. Der Herzog von Lorges, Oberbefehlshaber der französ. Armee, von beiden Seiten durch die verbündeten teutschen Truppen angegriffen, zog sich schnell nach Fortlouis zurück, um seine Gegner zu täuschen. Unerwartet aber brach er wieder von Fortlouis auf, mit der deutlichen Absicht, Würtemberg zu überschwemmen. General Chamilly zog mit einem Theile der Armee voraus. Der Administrator von Würtemberg, Herzog Friedrich Carl, der in diese Gegend geschickt war, um Würtemberg zu decken, zog ihm entgegen, konnte jedoch die Besetzung Pforzheims durch General Chamilly nicht mehr hindern. Hier, bei Pforzheim, wurde er aber von dem Herzog von Lorges, der mit der Hauptarmee über Durlach und Wilferdingen nachgerückt war, mit solcher Heftigkeit angegriffen, daß seine Truppen in die größte Unordnung geriethen, und alle ihn verließen. Er selbst wurde nebst dem General Soyer, 60 Gemeinen, einigen Standarten und dem ganzen Gepäcke gefangen und nach Strasburg geführt.

Nun begann wieder allenthalben Brand und Plünderung. Chamilly, der bisher Pforzheim besetzt gehalten, hatte es wohl nicht gewagt, Pforzheim zu verwüsten, ehe er den Ausgang des Treffens kannte. Als aber die würtembergischen Truppen so völlig geschlagen waren, verbreiteten die Franzosen sich in der ganzen Umgegend, und "wütheten mit Brennen und Plündern in Städten und Dörfern."

Was in den 2 früheren Bränden verschont geblieben war, wurde nun ein Raub der Flammen. Es traf diesmal auch die bisher stehen gebliebene Brötzinger Vorstadt und die Aue, und den östlichen Theil der Stadt, der 1689 gerettet worden war, nebst der Stadtkirche. Auch eine Menge jener schnell hingebauten Hütten nahm das Feuer wieder hinweg.

An mehreren Orten der Stadt hatten die Franzosen die Stadtmauern gesprengt, am Schleifthor hatten sie dieselbe unterminirt. Es ist unbekannt, ob in Folge einer Belagerung, oder blosen Muthwillens. (Ersteres scheint glaublicher, da das Theatrum Europæum tom. XIV. fol. 263 sagt, daß General Chamilly die Stadt Pforzheim eingenommen hätte).

Nachdem sich die Franzosen den 8. (18.) October wieder aus dieser Gegend entfernt hatten, kehrten die Bürger, welche bei der Annäherung der Franzosen abermals die Flucht ergriffen hatten, den 20. (30.) October wieder zu ihren Schuttstätten zurück, und bauten sich wieder Hütten. Die Stadt gewährte ein trauriges Bild. "In der ganzen Stadt sah man nur rauchende Trümmer, und aus diesen ragten die noch stehenden, aber zum Theil ihrer Thürme beraubten, schmucklosen Kirchen düster empor. Eine Menge Hände war beschäftigt, aus den Schutthaufen das noch erhaltene Hausgeräthe herauszusuchen. Auf dem Markte vor den Bäckerläden standen die Kinder haufenweise und schrieen um Brod, und die Bürger liefen ängstlich umher, bald da, bald dort um Hülfe ansprechend." So schildert ein Augenzeuge den damaligen Zustand der Stadt. Es wurde kein Rathstag, keine Amtssitzung gehalten. Das Rathsprotokoll sagt darüber nur: "durch die jüngsterlittenen Troublen sey alles wieder in Confusion gerathen."

Zu diesen Unordnungen und den dadurch nothwendig gewordenen Ausgaben kam kaum 8 Tage nach dem Brande ein Befehl des französ. Commandanten zu Strasburg, daß die hiesige Stadt für das Jahr 1693 400 Reichsthaler zahlen, und damit innerhalb 14 Tagen beginnen sollte. Die Bürger mußten mit ihrer noch übrigen Habe hausiren gehen, um mit dem Erlöse die Kriegsgelder bezahlen zu können.

Das Jahr 1693.

Erst in diesem Jahre, nachdem sie beinahe ein halbes Jahr ganz ohne Glocken gewesen waren, dachten die Bürger daran, wenigstens wieder ein Glöcklein zu besitzen. Dies gelang endlich durch Vermittlurg und Vorschuß des damaligen Kammerraths Zandt, der sich überhaupt in jenen traurigen Zeiten rühmlich der hiesigen Bürger annahm, und nebst dem Oberamtsverweser Heiland mehr als einmal drohende Gefahren von der Stadt abwandte.

Die Bürger hatten nicht lange die traurige Freude, wieder in ihren Häusern und Hütten zu wohnen; denn bald nach dem Brande zog eine französische Garnison hier ein unter General Molineaux. Die ganze Umgegend war von den Franzosen besetzt: ihr Hauptquartier war in Graben, und nachher in Grötzingen. Während dieser Zeit erreichte das Elend in Pforzheim den höchsten Grad.

(Fortsetzung folgt.)


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.

Nach langen, trüben Wintertagen war endlich gegen Ende März zum erstenmale wieder ein heller freundlicher Tag angebrochen. Die Luft war rein, die Sonne goß zum erstenmale Frühlingswärme aus. Das schöne Wetter hatte auch den alten Joachim Tischinger heraus gelockt aus seiner finstern Wohnung ins Freie. Ihn begleitete eine noch junge Frau, deren dunkle Kleidung, noch mehr aber ihr zur Erde gewendetes Auge anzudeuten schien, daß die schöne Umgebung, das erheiternde Gespräch des Alten sie nicht zu beruhigen vermochte. Endlich schwieg er, denn auch er hatte Ursache genug zu düstern Betrachtungen. Nur das tiefe Seelenleid seiner Begleiterin hatte ihn vermocht, seine eigenen Gefühle zu unterdrücken, und eine heitere Aussenseite zu zeigen.

So giengen sie schweigend neben einander her, als ein freundlicher Gruß sie aus ihren Gedanken weckte. Vor ihnen stand ein Mann in den besten Jahren, leicht gekleidet, aber mit schwerem Gepäcke beladen.

Der Fremde wiederholte seinen Gruß, und als er erwiedert war, begann er das Gespräch mit folgenden Worten:

"Der Frühling läßt sich recht schön an nach dem rauhen, stürmischen Winter."

Ja, aber es scheint, erwiederte der Alte düster, als ob die Gewitterwolken sich auf die Erde niedergesenkt hätten. Wir werden, glaub‘ ich, bald die Blitze sehen und den Donner hören.

"Ihr meint die kaiserlichen Truppen?"

Die mein‘ ich, und sie werden uns wohl wenig Gutes bringen. Seitdem Banner und Horn unterlegen sind, ist gar keine Kriegszucht mehr unter ihnen zu finden.

Ein neuer Ankömmling unterbrach ihr Gespräch. "Willkommen, mein Vater," rief er schon aus einiger Entfernung, und mit einer herzlichen Umarmung begrüßten sich Vater und Sohn.

Woher, woher, du Flüchtling? Versprachst doch in einigen Monaten wieder zu kommen, und bist nun über ein Jahr aus?

Es geschah nicht durch meine Schuld; Franken, Niederschwaben sind bereits ganz von den kaiserlichen Truppen besetzt; und ich konnte nur mit großer Mühe auf Umwegen hierher gelangen. Wir werden auch nicht verschont bleiben. Gebe nur Gott, daß wir nicht die Hefe bekommen. Die Regimenter Holz und Erlisheim nähern sich unserer Gegend.

"Dann möge uns der Herr in seinen Schutz nehmen, rief der alter Tischinger erschrocken, mit gefalteten Händen: sonst sind wir verloren."

Ich habe auf meiner Reise auch vieles von der fanatischen Grausamkeit der Soldaten dieser Regimenter gehört, erwiederte der Sohn. In Franken sollen sie ein Dorf ganz niedergebrannt haben, blos weil ein Knabe aus demselben unvorsichtiger Weise auf einen Rosenkranz getreten war, den ein Soldat hatte fallen lassen. Aber schimpflich ist es, fuhr er mit Unwillen in Minen und Sprache fort, schimpflich ist es, daß so viele Protestanten anfangen, sich unter die Reihen der Feinde ihres Glaubens, der Verwüster ihres Vaterlandes zu stellen, als ob der ganze Krieg nichts weiter wäre, als eine Gelegenheit sich Gold zu erwerben, gleichviel von wem!

Der Alte winkte seinem Sohn mit der Hand. "Laß das gut seyn, mein Sohn."

Freilich sollte man schweigen, fuhr der junge Tischinger mit steigender Wärme und glühenden Wangen fort, denn es frommt nicht, über das zu sprechen, was man nicht zu ändern vermag, und was nur leicht Gefahr bringen könnte. Aber das mag ein anderer mit kälterm Blute thun, ich kann es nicht. Noch schimpflicher ist es aber für uns, daß, wie man allgemein hört, gerade unter diesen Regimentern einige hiesige Bürger sich befinden sollen. Sehen möcht‘ ich sie, die Verräther, die Gewissen, Vaterland, Heimath, alles aufopfern und preisgeben, weil sie vielleicht einige Pfennige mehr Gold von geraubtem Blutgelde erhalten. Treffen möcht‘ ich sie. —

Ein durchdringender weiblicher Schrei unterbrach die enthusiastische Rede. Die Begleiterin des alten Tischingers lehnte sich bleich und zitternd an einen Baum.

Das hast Du gethan, flüsterte der Alte mit leisem, aber vorwurfsvollem Tone seinem Sohne zu. Die Frau erholte sich aber bald wieder, und bat um Entschuldigung für die unangenehme Störung.

Es schmerzt mich sicherlich so sehr als Euch; es wird aber nicht mehr geschehen. Ihr müßt meinem Sohn verzeihen, er weiß es vielleicht nicht, beruhigte der Alte.

Ohne anders als durch einen Druck der Hand zu antworten, entfernte sich die junge Frau nach ihrer nicht weit entfernten Wohnung. Die Begleitung, die ihr sowohl Vater als Sohn angeboten hatten, lehnte sie ab.

Als sie sich entfernt hatte, näherte sich der Fremde den Beiden wieder. Er war, um die ersten Begrüßungen zwischen Vater und Sohn nicht zu stören, indessen langsamen Schrittes auf und ab gegangen.

Es scheint, ihr befürchtet Gefahr?

Wir haben Ursache dazu, erwiederte der Alte, die Regimenter Holz und Erlisheim nähern sich unserer Gegend. Doch ihr scheint unser Gespräch gut gehört zu haben.

Der Fremde biß sich in die Lippen, zeigte jedoch sogleich wieder ein freundlich-ernstes Gesicht. Nur wenig, sagte er, und das was ich hörte, kann, da ich ein Fremder bin, weder mir nützen, noch Euch schaden.

Darf man wissen, woher ihr kommt? fragte der Alte.

Kann bald geschehen, für jetzt kann ich Euch kein anderes Beglaubigungsschreiben zeigen, als mein ehrlich Gesicht, antwortete der Fremde lächelnd.

Ein Blick in das Auge des Fremden überzeugte den Bürger, daß derselbe wahr gesprochen. Eine Einladung, mit ihm als sein Gast nach Hause zu gehen, schlug der Fremde ab, und gieng mit einem freundlichen Gruße seitwärts in die Stadt, nachdem er vorher den Alten um seinen Namen gefragt hatte.

Und nun mein Vater, da wir allein sind, bitte ich um Verzeihung wegen des unangenehmen Auftrittes, den ich, wie es scheint, veranlaßt habe. Ich kann mir jedoch nicht deuten, wie das, was ich sagte, die Base Katharine hatte so sehr beleidigen können.

So höre. Du weißt ja, daß ihr Gatte schon seit mehreren Jahren abwesend ist, und Niemand weiß, wo er ist. Es kamen allerlei Gerüchte in Umlauf, aber wir suchten ihr immer das Nachtheilige auszureden, was über den abwesenden Erbach umgieng. Vor wenigen Tagen aber kam ein Fremder hierher, und erzählte, daß unter den Protestanten, die in dem Holzischen Regimente dienten, auch Andreas Erbach sey, und derselbe habe vor 8 Tagen seinen Glauben abgeschworen. Du kennst ihre leidenschaftliche, von ihrem Vater ererbte Anhänglichkeit für die reine Augsburgische Confession, und magst dir also ihre Bestürzung denken, als sie diese Nachricht hörte. Seitdem ist sie so niedergeschlagen, daß wir völlige Schwermuth fürchten.

Wie? Erbach soll seinen Glauben abgeschworen haben? rief staunend der Sohn.

Der Fremde erzählte es für bestimmt, und wußte gar viele Nebenumstände zu erzählen, so daß wir nicht umhin können, es zu glauben.

(Fortsetzung folgt).


Anecdote.

In dem noch vorhandenen Verzeichnisse der Urkunden des alten, nun größtentheils verbrannten und verlornen städtischen Archives findet sich folgendes: In der Laden B ist die Copie einer Danksagung derer von Pfortzen gegen meinen gnedigen Herrn den Markgrafen von wegen eines geschenkten Hirsches anno 1522.



Unter Verantwortlichkeit von G Lotthammer.
Drucker: K. F. Katz.

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