Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 17. Samstag den 25. April. 1835.

Pforzheim am Schlusse des 17ten Jahrhunderts.
Zweite Abtheilung.

2. Neue Verwüstungen. Treffen bei Pforzheim. Dritter Brand 1692.

(Fortsetzung.)

3. Bessere Aussichten.

Mit dem Jahr 1695 schloß sich die härteste Leidensperiode der Pforzheimer im Laufe dieses Krieges. Die Noth war zwar noch groß genug, und sie waren nichts weniger als völlig befreit von allen fernern Kriegslasten. Sie wurden noch immer bis zum Friedensschlusse von Garnisonen gedrückt; noch immer währeten die Zahlungen und Gelderpressungen; aber sie konnten doch wenigstens nun in ihren Hütten wohnen, ohne mehr einem Brande oder einer allgemeinen Plünderung preis gegeben zu seyn. Als Beispiel der damaligen Noth stehe nur das hier, daß die Tochter des damaligen, vorher sehr wohlhabenden, zweiten Bürgermeisters Joh. Jak. Deimling, aus Mangel anderweitiger Nahrung durch Lohnwäschen ihren Unterhalt suchen mußte.

Ein im Mai des Jahres (1696) befürchteter, jedoch nicht zu Stand gekommener, abermaliger Uebergang der Franzosen über den Rhein, gieng mit der blosen Angst vorüber, hatte jedoch eine Rathssitzung zur Folge, in der wieder ein Küchengeschenk nach Philippsburg beschlossen wurde. Der Eintrag im Rathsprotokoll lautet folgendermaßen:

"Herr Bürgermeister Herbster proponirt, es seye bekannt, daß die Stadt erst nur einen einzigen Termin an der dießjährigen französischen Contribution geliefert, indem die letzt überschickten 100 Rthlr. vor das geforderte Fouragegeld angenommen worden; weilen es nun verlaute, ob sollte die französische Armee diesseits Rheins gehen, vnd deßwegen einig gefahr zu besorgen, alß wollte er vernehmen, ob nicht rathsam vnd nöthig seyn würde, bey überschickung eines Stück gelts vff Abschlag der Contribution auch zugleich den Herrn Commandanten und vnd Commissario zu Philippsburg etwas von Forellen vnd Grundeln in die Küche zu überschicken.

Hierauf ist bei gehaltener umbfrage dahin einhellig votirt worden, daß man keine zeit verlieren solle, so viel möglich, vf Abschlag der Contribution nachher Philippsburg, vnd zugleich auch eine gute traget grundel vnd Forellen vor den Commandanten vnd Commissarium allda zu überschicken."

Diese Angst vor dem Franzosen zeigt sich auch in den Maaßregeln, die von den Militärbehörden ergriffen wurden. So erschien Ende Julis eine Ordre von Markgraf Carl Gustav als Generallieutenant, daß auf die von der Krone Frankreich ausgeschickten Mordbrenner, Spionen und andere verdächtige Leute genaue Aufsicht unter den Thoren gehalten, und alle in die Stadt eingehende Fremden streng geprüft werden sollten. Daß solche Maaßregeln damals höchst nöthig waren, ist außer Zweifel; daß viele Städte und Dörfer nicht nur nach dem Plane der Kriegsoperationen, sondern aus bloser Zügellosigkeit, oft durch kleine Truppenabtheilungen niedergebrannt wurden, ist bekannt; daß solches auch öfters durch Einzelne verübt worden seyn mag, ist sehr möglich; ob es aber wirklich Plan der französischen Regierung war, herumstreifendes Raub- und Mordgesindel zur Verheerung der Rheingegenden zu benutzen? Wir lassen es dahin gestellt.

Auch die Aussichten auf Frieden waren noch immer sehr trübe, und doch schien bei der gänzlichen Verarmung der Gegenden, die hauptsächlich die Schauplätze dieses mit seltener Rohheit geführten Kriegs gewesen waren, eine längere Fortdauer desselben unmöglich. Wie geringe Hoffnung auf baldigen Frieden man sich aber machte, zeigen die im Jahr 1696 von Seiten des Obercommando’s der teutschen Truppen mit neuem Eifer begonnenen Operationen. Es genüge, nur das davon anzuführen, was in der nächsten Umgebung Pforzheim’s geschah. Durch den ganzen Hagenschieß wurden seit Anfang des Jahres Verhaulinien angelegt, woran das ganze Jahr hindurch gearbeitet wurde, und am Ende des Jahres geschah das nämliche auch im Kallert, wo sich die Arbeit nach altem Brauche noch weit in das nächstfolgende Jahr hinein erstreckte. Auch wurden allein im Hohberg 1230 Stück Pallisaden gehauen.

Unter den Geldern, die in diesem und im folgenden Jahre 1697 gefordert und eingezogen wurden, war der im November 1696 abermals auferlegte Dreißigste, der aber dießmal unter dem Namen "Beihüfsgelder der untern Markgrafschaft" lief. Der der Stadt Pforzheim zugewiesene Antheil betrug 500 fl. An die Franzosen mußten dieses Jahr (1697 Februar) außer den gewöhnlichen jährlichen Contributionsgeldern 20,000 Rationen Fourage geliefert werden. Nach einigen Unterhandlungen kam endlich ein Akkord auf 631 fl. 30 kr. zu Stande, auf deren baldige Zahlung, jedoch unter Androhung militärischer Erekution gedrungen ward. — Eine neue Geldlieferung für Haber von 128 fl. 30 kr. geschah im November 1696 an Marquis d’Uxelles. Auch mit Anforderungen für die Kreistruppen blieb die Stadt, ungeachtet der vielfachen Versicherungen, daß sie an den in Pforzheim liegenden Garnisonen nichts zu leiden haben sollte, nicht verschont. Es kam eine Menge Rechnungen ein, welche die Bürgerschaft für die Einquartierungen bezahlen mußte, und die der Stadt zur Entschädigung zugewiesenen Quartiergelder, wozu unter andern das Amt Neuenbürg 100 Rchsthlr. lieferte, giengen so saumselig als möglich ein. Außerdem wurde der Stadt auch mehrmal zur Verpflegung auswärtiger Garnisonen beizutragen befohlen, z. B. für die damals zu Menzingen und Flehingen gelegenen Husaren.

4. Friede.

Endlich nach neunjährigem Kampfe — in Teutschland fast ohne ein entscheidendes Treffen, nur eine Kette von wchselseitigen Hin- und Hermärschen — waren beinahe alle Theilnehmer des Krieges müde. Der Kaiser und das Reich waren nicht die einzigen Gegner Frankreichs, auch England, Holland und Spanien und einige kleinere Staaten hatten an dem Kriege Theil genommen. — Unter schwedischer Vermittlung begannen im Mai 1696 die Friedensunterhandlungen und gediehen auch bald darauf zu einem endlichen Schlusse. Den 30. Septbr. schloßen England, Holland und Spanien Friede mit Frankreich; Kaiser und Reich bequemten sich erst den 30. Oktober dazu, denn dem Kaiser war der Friede nicht nach Wunsche.

Alles schöpfte nun neue Hoffnungen; man konnte nun der frohen Aussicht leben, daß das, was man zur Verbesserung seines Zustandes that, nun wenigstens vor feindlicher Vernichtung sicher sey. Durch diese Hoffnung gehoben, ließen es sich die Pforzheimer auch gerne gefallen, als ein Anmahnungsschreiben der Regierung kam, daß der Gemahlin des Erbprinzen (des nachmaligen Markgrafen Carl Wilhelms, des Erbauers von Karlsruhe) im Namen der untern Markgrafschaft ein Geschenk von 4000 fl. überreicht werden sollte, wozu die Stadt ihren ordnungsmäßigen Antheil von 266 fl. beizutragen hatte.

Jetzt erst konnten mit Ernst Versuche zur Wiederherstellung der in allen Theilen zerstörten früheren Ordnung gemacht werden. Auch in Pforzheim war eine rege Thätigkeit sichtbar. Die Bürger, deren so viele, um nicht Hungers zu sterben, aus dem Lande gegangen waren, um einen kümmerlichen Unterhalt zu finden, sammelten sich nun größtentheils wieder, und fiengen an, ihre abgebrannten Häuser von Neuem aufzubauen. Die Straßen, die noch seit dem Jahre 1692 voll Schutt lagen, wurden nun auch gereinigt.

Rühmlich ist unter den Bestrebungen des damaligen Stadtrathes seine Fürsorge für das Schulwesen, eine Fürsorge, die dießmal nicht von den betreffenden geistlichen Behörden, sondern vom Stadtrathe selbst ausgieng. Als bei dem fast völligen Versiegen aller Quellen der städtischen Einkünfte die kompetenzgemäße Salarirung der Lehrer endlich unmöglich ward, so vereinigte man die beiden Bürgerschulen, was sich auch in Betreff der Kinderzahl um so leichter thun ließ, da so viele Bürger mit ihren Familien fortgezogen waren, und die beständigen Kriegsunruhen und die Garnisonen keinen geregelten Schulbesuch zuließen. Kaum hatte man aber nur einige Hoffnung, daß eine etwaige Verbesserung nicht so bald wieder würde vernichtet werden, als der Stadtrath (August 1696) supplizirend um Verbesserung der Schulanstalten einkam. Die Schulen seyen seit dem letzten Brande (1692) so schlecht bestellt, daß die Schuljugend unverantwortlich versäumt werde, und das rühre zum Theil daher, daß keine wöchentlichen Visitationen oder Examina mehr gehalten würden." Im Mai nächstfolgenden Jahres 1697, also noch vor dem Friedensschlusse, schlug der Stadtrath dem damals als Hofprediger bei dem markgräflichen Hofe in Basel sich aufhaltenden Superintendenten Matthäus Kummer vor, die bisher vereinigte Knaben- und Mädchenschule zu trennen, welche Trennung noch im Juli desselbigen Jahres zu Stande kam.

Auch von Seiten der Regierung blieb man nicht müssig, besonders seitdem Markgraf Friedrich Magnus von Basel nach Grötzingen gezogen war. Außer mehrfachen Bauinstruktionen, um die allzugroße Unregelmäßigkeit in der Ausführung der Gebäude zu verhüten, erschienen auch mehrere Verordnungen, wodurch manche vor dem Kriege eingeführte Abgaben, die aber während des Krieges gar nicht, oder nur unterbrochen, erhoben werden konnten, wieder einen regelmäßigen Gang erhielten. So der Pfundzoll, das Weinumgeld für den Hausverbrauch, der neue Landzoll ec.

Aber es war unendlich viel zu thun. Noch immer war die Stadt mit Garnison besetzt, und die rückständigen Zahlungen währten noch eine geraume Zeitlang fort. Alles stand noch immer meist in sehr hohem Preise, außer allem Verhältnisse mit dem außerordentlichen Mangel an Geld. Das Malter Kernen stieg wieder mehreremale auf 12 bis 18 fl., der Preis der hauptsächlichsten Viktualien ec., wenn gleich nur ungefähr die Hälfte des jetzigen, dennoch für damalige Zeit ungewöhnlich hoch*Ein Pfund Ochsenfleisch kostete 4 – 4 ½ kr., Kalbfleisch und Schweinefleisch ebenso viel; 1 Pf. Lichter 12 kr., 1 Pf. Salz 4 kr., und seit der letzten Verleihung der Salzadmodiation von 1697 3 ⅓ kr.; dagegen der Unwerth der Güter, von dem schon früher die Rede gewesen, — eine Folge der allzugroßen darauf haftenden Schulden. Waren nun gleich die Güter nicht gerade so weit herabgesunken, daß mancher, wie Deimling erzählt, sie um eine kaum nennenswerthe Kleinigkeit, etwa einen Laib Brod ec., oder für die darauf haftenden Kriegsschulden hingab — denn letzteres war jedesmal der einfache Gang einer gerichtlichen Güteradjudizirung, nicht aber eines freiwilligen Privatvertrags, und z. B. der Vaterunseracker, der nach Deimlings Erzählung seinen Namen daher erhalten haben sollte, daß der Eigenthümer denselben einem Andern unter der Bedingung überließ, daß er für ihn ein Vaterunser beten sollte, trug schon vor dem französischen Kriege diesen Namen — so war dennoch der auffallende Güterunwerth, von dem sich noch viele Beispiele finden, Beweises genug, wie tief die Verarmung eingedrungen war.

(Fortsetzung folgt.)


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.
4.

Fortsetzung.

Ein starker, langgedehnter Ton eines Hornes erschallte. Was ist das? rief der junge Tischinger. Bei Gott, das ist Feuerlärm. Alles fuhr erschrocken auf. — Ein zweiter noch durchdringenderer Stoß in das Wächterhorn folgte. Nein, sprach der Alte schnell, das ist kein Feuerlärm, das sind Feinde. Heiliger Gott, es ist zu spät! rief der Fremde. Und nun ein hastiges Lebewohl allen zurufend, eilte er, und mit ihm der junge Tischinger, mit stürmischer Hast zum Zimmer und zum Hause hinaus.

Was soll das seyn? rief der Alte halb erstaunt, halb unwillig. So sehr der Fremde die Zuneigung Aller gewonnen hatte, so kam es dem Alten doch unziemlich vor, daß sein Sohn gerade im Augenblick der Noth seinen Vater verlasse und mit dem Fremden forteile.

Aber sein Ruf ward nicht mehr gehört. Dumpf ertönte schon die Sturmglocke vom Schlosse herab. Auf der Straße ward es lebendig. Alles strömte aus den Häusern auf die Straße und auf den Markt. Dort sammelten sich, als die Sturmglocke erschallte, schnell die Bürger in voller Rüstung, auf Befehle harrend.

Da näherte sich vom Altstädter Thor her ein verworrenes Getöse, und gleich darauf eilte der dort wachthabende Offizier dem Rathhause zu. Bald sah man die Herren des Gerichts und Raths in ihrer Amtskleidung dem Rathhause zueilen. Es waren mancherlei Gemüthsstimmungen auf den Gesichtern sichtbar, bald trotziger Muth, bald, besonders bei den jüngern, eine beinahe freudige Begeisterung, bei den ältern meist die Spuren innerer Unruhe und Ahnung einer schlimmen Zukunft — bei allen aber, daß sie heute einen schweren Gang zu thun hatten, und daß es sich nicht um Versteigerungen, Kaufkontrakte, Entscheidungen geringer Zwistigkeiten unter den Bürgern und ähnliche Angelegenheiten handelte — von ihrem Beschlusse hieng das Wohl oder Wehe der Stadt ab.

Sie versammelten sich im Rathhaussaale. Aber nicht wie sonst, ward die Zeit bis zur Eröffnung der Verhandlungen mit lautem Gespräche über die gewöhnlichen Tagesbegebenheiten ausgefüllt; eine bange Stille herrschte in der ganzen Versammlung, und nur hie und da sprachen leise die Nachbarn miteinander. — Der Bürgermeister Georg Weber trat ein, und als schnell die gewöhnlichen Förmlichkeiten bei Eröffnung einer Sitzung beseitigt waren, sprach er:

"Meine Freunde! was uns heute zusammenruft, ist Euch allen bekannt. Zwei kaiserliche Regimenter lagern vor dem Altstädter Thore und begehren freien Durchmarsch und Quartier auf einige Tage im Namen Sr. kaiserl. Majestät. Wir haben eine Stunde Bedenkzeit, ob wir die Schlüssel der Stadt freiwillig übergeben oder einer Belagerung gewärtig seyn wollen. Die Herrn mögen ihre Meinungen aussprechen."

Die Stimmen waren getheilt. Die Minuten verflossen schnell, aber es kam zu keiner Entscheidung.

"Wir dürfen nicht zaudern, sprach endlich nach langem Hin- und Herreden einer der ältesten. Wenn wir uns offen den kaiserlichen Truppen widersetzen, setzen wir Stadt und Bürgerschaft der größten Gefahr aus."

"Wir haben nicht nöthig, erwiederte mit der Röthe des Unwillens auf der Stirne Herr Wendelin Fischer. Seitdem der Kaiser selbst seinen Eid gebrochen und seine protestantischen Unterthanen wie Feinde behandeln läßt, seitdem unter seinem Namen die grenzenlosesten Verwüstungen der Länder und Mißhandlungen ungestraft geschehen, sind auch wir des Gehorsams entbunden, und wenn wir uns gegen rohe Gewalt vertheidigen, so übertreten wir dadurch keine unserer Pflichten. Es haben schon mehrere Mitglieder eines ehrsamen Gerichts und Raths zur Uebergabe gerathen, aber was gewinnen wir dadurch? wo haben je diese fanatischen Truppen ihr vermeinten Ketzern gegebenes Wort gehalten, und wo ist der Beweis, daß sie mit uns glimpflicher verfahren werden?

Sie haben wohl nur freien Durchmarsch und Quartier auf einige Tage verlangt, und die Bürgerschaft nach Recht und Billigkeit zu behandeln versprochen; aber wer bürgt uns dafür, daß sie nicht eben so viele Wochen hier bleiben werden? Und zeigen uns nicht die vielen Mönche, die in ihrem Geleite sind, deutlich genug, worauf es abgesehen ist? Und wenn wir uns weigern, ihren Bekehrungsversuchen Gehör zu geben, was haben wir zu erwarten? Ich stimme für Vertheidigung. Die Bürgerschaft ist zwar gering an Zahl, aber wir werden uns, wie ich hoffe, wohl so lange halten können, bis wir entsetzt werden."

(Fortsetzung folgt).


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Drucker: K. F. Katz.

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