Pforzheims’s Vorzeit.
Für Pforzheim und seine Umgebungen.

Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen,
Den ersten Schmerz, die erste Lust empfand;
Sey immerhin unscheinbar, unbekannt,
Mein Herz bleibt ewig doch vor Allen dir gewogen! Wieland.

Nro. 22. Samstag den 30. MaI 1835.

Weißenstein.

(Fortsetzung.)

Wenn aber Rudolf von Roßwag, wie es doch höchst wahrscheinlich ist, von Bertold von Weißenstein auch Burg und Dorf Weißenstein nebst den dazu gehörigen Gütern bekam, so konnte es jedenfalls nicht bei seiner Familie geblieben seyn. Denn im Jahr 1338 war es schon wieder an Baden heimgefallen, und wurde in diesem Jahre mainzisches Lehen. Um dies aber nur einigermaßen verständlich zu machen, bedarf es einer Abschweifung.

Markgraf Rudolf IV. von Baden, Herr von Pforzheim, heirathete 1323 Luitgarde von Bolanden, Wittwe Graf Albrechts von Löwenstein. Bald nach ihrer Vermählung gab Luitgarde ihrem neuen Gemahle das Städtchen Büninkein (Bönnigheim) und die Burg Obermagenheim zu kaufen. Diesen Verkauf bestätigte 1329 der indeß volljährig gewordene Sohn Luitgardens aus erster Ehe, Graf Nikolaus v. Löwenstein, und bat auch in diesem Jahre an Kreuzerhöhungstage den Churfürsten von Mainz, den Markgrafen Rudolf damit zu belehnen. Bönnigheim gehörte nämlich dem Churfürsten von Mainz, und Albrecht von Löwenstein war deßwegen Lehnsmann desselben gewesen. Da aber Bönnigheim jetzt an Baden verkauft wurde, so hörte der Graf v. Löwenstein auf mainzischer Lehensmann zu seyn, und Baden trat an seine Stelle, (daraus folgt jedoch noch nicht, daß der Markgraf von Baden jetzt dem Churfürsten von Mainz Lehensunterthan war, sondern er war dies nur wegen Bönnigheim, während er in seinen andern Besitzungen ganz unabhängig von Mainz war.) Der Markgraf von Baden verkaufte jedoch bald darauf Bönnigheim auch wieder 1338 an einen Edeln (Hermann?) von Sachsenheim. Der Markgraf von Baden sollte aber dadurch nicht aufhören, Lehensmann des Churfürsten von Mainz zu seyn, und es mußte deßhalb ein neues Lehen eingesetzt werden statt Bönnigheim. Zugleich musste auch der Verlust, den der Churfürst von Mainz durch den Verkauf von Bönnigheim erlitt, demselben durch andere Güter ersetzt werden. Dies geschah folgendermaßen: Markgraf Rudolf übergab dem Churfürsten von Mainz eigenthümliche badische Güter, welche ihm der Churfürst wieder zurückgab, aber nur als Lehen. Die eigenen Güter, welche Markgraf Rudolf auf diese Weise dem Churfürsten übergab, und von ihm als Lehen wieder empfieng, waren die Burg Weißenstein mit ihrer Zugehör, ferner das Schultheißenamt, alte Umgeld und alle Mühlen in Pforzheim.*Der Schultheiß war der ständige Vorsitzer in Gericht und Rath im Namen des Fürsten, wie für die Bürgerschaft der Bürgermeister. Daher beginnen auch alle Erlasse der städtischen Oberbehörden so: Wir Schultheiß, Bürgermeister, Gericht und Rath der Stadt — —. Später wurde das Amt des Schultheißen dem jeweiligen Beamten übertragen. — Worin die Zugehör der Burg Weißenstein bestand, wird aus den späterhin ertheilten Lehensbriefen über Weißenstein klar.— Mühlen waren früher größtentheils, zum Theil noch jetzt, Eigenthum des Landesherrn und als Erblehengüter hingegeben. In dem ganzen Verhältnisse Badens gegen Churmainz änderte sich also nichts. Der Markgraf blieb noch wie vor Vasall des Churfürsten; nur war er ein solcher nicht mehr wegen Bönnigheim, sondern wegen Weißenstein. Dies scheint bei Mangel der vollständigen Urkunden der wirkliche Verlauf der Sache gewesen zu seyn.

Das Lehensverhältniß des badischen Markgrafen gegen den Churfürsten von Mainz währete ungefähr hundert Jahre. Im Jahre 1426 wurde diese Belehnung erneuert. Markgraf Bernhard von Baden wurde in diesem Jahre (auf Dienstag nach Judica) von Churfürst Konrad von Mainz mit Weißenstein belehnt.

Bald darauf jedoch wurde Baden von dieser Lehensverbindlichkeit frei. In welchem Jahre, und auf welche Weise? können wir nicht angeben. Jedenfalls geschah es vor 1444. Denn in diesem Jahre besaß es schon Dietrich v. Gemmingen. Nach dem Tode Markgraf Jakobs I. von Baden (1453) bestätigten im nächstfolgenden Jahre dessen Söhne, Markgraf Karl I. und Bernhard den genannten Dietrich v. Gemmingen in dem Lehen Weißenstein. Fünf Jahre darauf (1459, nicht 1457, wie es in Sachs badischer Geschichte heißt) erhielt Dietrich v. Gemmingen dazu noch die Dörfer Büchenbronn und Huchenfeld. Die zu der Burg Weißenstein gehörigen Güter werden folgendermaßen beschrieben: Das Thal Weißenstein mit den Höfen und Häusern, Dillstein und Falkengarten und andere dergleichen Höfen und Häusern, allen Steuern, Gülten, Strafen, Frohndiensten, Benutzung von Wald, Weide ec. und dem Zehnten zu Büchenbronn; ferner die Mühle zu Weißenstein (auch eine Erblehenmühle), die Wälder, Wasser-, Mühl- und Zwerchhalde, der Wasserzoll. Jedoch behielt sich der Markgraf das Oeffnungsrecht vor, d. h. Dietrich v. Gemmingen mußte den Markgrafen zu jeder Zeit, ohne Weigerung, in sein Schloß aufnehmen, so oft der Markgraf es verlangte; ferner die zu Weißenstein gehörigen Wildbäue, doch darf Dietrich v. Gemmingen darin jagen. Dagegen erhielt er die freie Gerichtsbarkeit, kein markgräflicher Amtmann oder Richter durfte über einen Unterthanen Dietrichs ein Urtheil sprechen, wenn nicht die Kläger selbst sich auf einen solchen beriefen.

(Fortsetzung folgt.)


Die Kaiserlichen in Pforzheim.

Erzählung aus dem Jahre 1643.
7.

Fortsetzung.

Eine augenblickliche Stille erfolgte. Erlisheim, wie es schien, in Gedanken versunken, bemerkte erst nach einer Weile, daß Tischinger sich noch nicht entfernt hatte.

Was stehst du noch hier, was willst du? schnaubte Erlisheim ihn an.

"Noch einige Augenblicke Gehör, Herr Oberst" erwiederte fest der alte Bürger.

Verzeiht, gestrenger Herr, die Zeit eilt, unterbrach der Pater.

"Nicht mit Euch spreche ich, sondern mit Eurem Herrn," entgegnete Tischinger, der jetzt alle seine gewohnte Festigkeit wieder erlangt hatte.

Schweigt! Sprich, Alter, aber kurz! befahl der Oberst.

"Es ist das Erstemal in meinem Leben, daß ich um etwas Großes bitte, begann mit bewegter Stimme der Bürger. Mein Sohn hat Euch gekränkt, aber er wurde gereizt. Wer wird es geduldig tragen, wenn das, was ihm heilig und theuer ist, angegriffen wird? Nicht Euch selbst hat er beleidigt, er kannte Euch nicht; aber die traf sein Wort, die das alles herbeiführten!"

Ein rachedürstender Blick des Paters zeigte, daß er die Worte Tischingers verstanden. Er hat unsere heilige unfehlbare Kirche gelästert, grinzte er.

"Er hat sie nicht gelästert, fuhr Tischinger fort. Und wer bürgt dafür, daß Eure Kirche allein unfehlbar ist? Wann wird das enden! Einer verfolgt den andern, jeder drängt dem andern seine Lehre als die einzig wahre auf, und dem Allwissenden dort oben allein ist es bekannt, wo die Wahrheit ist!"

Er lästert! er lästert! zischelte der Pater.

Schweigt! rief Erlisheim.

"Darum, fuhr Tischinger fort, Herr, entscheidet Ihr nicht, wo nur der Himmel zu entscheiden vermag! Und die Beleidigungen, die mein Sohn Euch selbst zugefügt hat, vergebt dem jugendlichen Feuer! Folgt Eurem eigenen Gefühle, nicht den Einflüsterungen anderer. Laßt Gnade und Milde für Recht ergehn!"

Erlisheim blieb unerschütterlich.

"Erlisheim! Erlisheim! rief der alte Tischinger, das Letzte zur Rettung seines Sohnes versuchend, indem er sich auf die Kniee warf, gedenke jenes Mannes, der dich, als schwer Verwundeten, aus dem brennenden Hause trug!"

Wer bist du? rief mit unsicherer Stimme Erlisheim.

"Joachim Tischinger! Ich trug dich aus den Flammen, als deine eigenen Glaubensgenossen dich verließen, damals versprachst du mir, als du gerettet warst, aufs theuerste die Lebensrettung zu vergelten! Ich sah dich nicht mehr seit jener Stunde. Ich habe in 30 Jahren nichts von dir gebeten. Jetzt, jetzt muß ich dich daran erinnern. Gedenke deines Versprechens Erlisheim." schloß mit fast erstickter Stimme der bekümmerte Vater.

Haereticis non est habenda fides!*Ketzern braucht man kein Wort zu halten. krächzte der Pater. Ein Strahl menschlicher Rührung durchzuckte das rauhe Gemüth Erlisheims. Fast hätte Tischinger gesiegt, aber ein Blick auf die Zeugen des Auftrittes, die mit finstern, unzufriedenen Blicken dastanden, drängte die schöne Wallung zurück.

Es kann, es darf nicht seyn! sprach er mit milderer Stimme.

"Nimmermehr?" rief Tischinger fast außer sich.

Nimmermehr! erwiederte dumpf das mitleidenswerthe Werkzeug mönchischer Rachgier. Er wandte sich ab, er vermochte den Anblick des verzweifelnden Vaters, der ihm das Leben rettete, nicht zu ertragen.

"So möge dir der Himmel verzeihen! Ich vermag es nicht!" rief der Mann des Jammers, heftig zum Zimmer hinaus eilend.

Wir müssen andere Maßregeln zu unserer Rache ergreifen, sonst ist alle Mühe vergebens angewandt, sprach still für sich der Mönch.

8.

Der Mönch schloß sich, als er von dem Obersten in sein Kloster zurückgekehrt war, in seine Zelle ein und ließ Niemand vor sich. Mancherlei Plane durchkreuzten sich in seiner Seele, aber lange schien keiner ihm zu genügen. Endlich stand er rasch auf. Das Brüten seines schwarzen Herzens hatte den bösen Engel heraufbeschworen, den er aussenden wollte über die bedrängten Pforzheimer. Er zog die Glocke.

Der dienstthuende Laienbruder trat demüthig ein und fragte nach dem Befehle des hochwürdigen Herrn Guardians.

Rufe mir den Pater Anton.

Gleich darauf erschien der Geforderte, der Vertraute des Guardians.

Besuchen, fragte Pater Ignazius der Guardian, die Ketzer die Messe auf die gestrige abermalige Drohung?

"So wenig als vorher, Euer Hochwürden, erwiederte der Gefragte. Noch nirgends haben wir solche verstockte Herzen gefunden, als hier."

Ja es ist Zeit, sagte mit dem ihm eigenen grinsenden Lächeln der Unhold. Ich will sie erweichen. Sie sollen sich beugen oder brechen, sollen fühlen, daß ich nicht gewöhnt bin, vergebens zu arbeiten. Sie sollen ein warnendes Beispiel werden für andere.

"Es ist wirklich höchst nöthig, daß einmal ein abschreckendes Beispiel werde," erwiederte mit der Mine frommer Heuchelei Pater Anton, dessen Gedanken und Worte an denen seines Vorgesetzten sich nur brachen, um sie nachzuhallen, wie das Echo am Walde.

Wohl ist es nöthig, und sie sollen es seyn, die verhaßten Pforzheimer, rief Ignaz mit einem Blicke, von dem jetzt die gewöhnliche Maske der Scheinheiligkeit und der spöttische Zug um den Mund gewichen war, um dem vollendeten Ausdrucke des scheußlichsten Rachedurstes Raum zu geben. O, daß ich nicht selbst unmittelbar eingreifen kann in das schwache Räderwerk, daß ich nur an erbärmlichen Werkzeugen mich abmühen muß.

"Aber ist nicht Erlisheim ein wie vom Himmel in unsere Hände gegebenes Werkzeug?" unterbrach ihn Anton.

Erlisheim! erwiedert Ignaz verächtlich, während der Schaum der Wuth ihm auf den blauen Lippen saß, schweige von dem! Erbärmlich genug, daß er der mächtigste Hebel seyn muß! Erlisheim zum Guten zu schlecht, zum Bösen zu schwach, dem man das Racheschwert in die Hand geben muß, wie einem Kinde, dem man vorher die Augen verbinden muß, ehe er zustoßen soll, damit er nicht sehen kann, wen er trifft!

Anton fieng jetzt an zu fürchten, es möchte irgend Jemand ein unberufener Zeuge des Auftritts werden, denn noch nie hatte er den Guardian so alle Vorsicht aus den Augen setzen sehen, suchte dem Ausbruche seiner Wuth eine andere Richtung zu geben.

"Ich erwarte, sprach er, Er. Hochwürden Befehle in Betreff der strafwürdigen Bürgerschaft."

Strafenswerth nennst du sie? O, daß ich vom Himmel Feuer herabschleudern könnte auf sie, rief der unversöhnliche Pater. Sie waren die Helfershelfer der verdammten Schweden, als diese vor eilf Jahren in unser Kloster drangen, uns mißhandelten und verfolgten, daß wir uns verbergen mußten, wie das Wild vor dem Jäger! Doch ich lebe noch, es zu rächen. Er athmete tief auf. Es war ein kalter Wintertag, fuhr er gelassener fort. Wir waren im Refektorium versammelt, als von der Klosterpforte her verworrenes Geschrei erscholl. Die Schweden stürmten herein, Verwünschungen über uns alle ausstoßend, und die Menge, die sich mit hereindrängte, stimmte frohlockend ein. Die Frechen trieben uns in die Kirchen. Alles ward entweiht und geschändet von den unheiligen Händen; eine verruchte Hand riß die Monstranz vom Hochaltar und warf sie dem Guardian, Patronius Widmann, ins Gesicht. Der entbrannte in gerechtem Zorne, und schlug den Verworrenen. Da, o daß es nie aus meiner Erinnerung schwinden möge! — ergriffen ihn die Wüthenden und knüpften ihn an den Bogen des Hochaltars auf! Wir alle aber wurden hinausgetrieben, sie drohten uns gleiches Schicksal, wenn wir wagten, uns wieder sehen zu lassen! Und als ich mit dem Schwur der Rache zum Kloster hinauseilte, da rief mir einer zu: Glück auf die Reise, Herr Pater! Ich fluchte dem Frechen, und er schlug mir ins Gesicht! Ich sah ihn heute, fuhr er mit wieder steigender Leidenschaft fort! Es ist der Graubart, der eben beinahe all unser Mühen vernichtet hätte, als ich mich so unerwartet an der Erfüllung eines Theils meiner Rache sah! Aber er entgeht mir nicht! Wilde Schadenfreude überzog wieder das Gesicht des Mönches. Er entgeht mir nicht! Dein Söhnlein ist dir so theuer? Recht so, Alter! Du sollst nicht sterben. Aber ich weiß genug! Ignaz weiß dich jetzt da zu treffen, wo du am verwundbarsten bist! Und wenn du heulend und jammernd an der geschändeten Leiche deines Sohnes stehst, dann will ich’s mit lauter Stimme dir in’s Ohr rufen, daß du gewiß wieder erwachen sollst! Ich will dir in’s Ohr schreien: Kennst du den Pater Ignazius?

Eine peinliche Stille von einigen Augenblicken entstand. Ignazius schwieg in Gedanken der Zufriedenheit versunken über die Hoffnung, dem Ziel seiner Rache so nahe zu seyn. Sein Vertrauter Anton oder Handlanger bei seinem finstern Treiben, wagte es nicht, diese Stille zu unterbrechen. Er sann den Reden seines Vorgesetzten nach und suchte zu ergrübeln, was wohl derselbe bei sich beschlossen haben möge. — Ignazius brach zuerst das Schweigen.

Er sey das Opfer, das meiner Rache allein falle! Dann aber treffe die Reihe die Bürger dieser Stadt! Sie bestehen hartnäckig auf ihrer sogenannten Augsburger Confession? Um so besser für mich! Sie müssen zum Kreuze kriechen die widerspennstigen Thoren, und je tiefer der Pfeil in ihr Herz eindringt, je schmerzhafter der Widerhaken es zerreißen wird, um so süßer die Rache!

"Aber sie hängen so sehr an ihren lutherischen Predigern, daß wenig, auch wenn Gewalt gebraucht wird, zu hoffen ist," entgegnete Anton.

(Fortsetzung folgt.)


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Drucker: K. F. Katz.

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