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VIII.

Zuleima's Rache.

Es senkt auf sturmesschwangern Flügeln
Sich tiefe Nacht in's Nagoldthal:
Nur manchmal von den wald'gen Hügeln
Erleuchtend zuckt ein Wetterstrahl.
Dann tönt ein dumpfes Donnergrollen;
Wild rauscht die Nagold durch die Nacht,
Und wie ein lang verhalt'nes Grollen
Die Windsbraut stöhnend auferwacht.

Doch schweigt der Sturm. - Hörst du Gelächter
Erschallen von des Schlosses Thurm.
Bellrem ist dieser luft'ge Wächter;
Er ruft hohnlachend in den Sturm:
"Ha, ha! Du schreckst nur feige Zwerge!
Wach auf, wach auf zu vollerm Klang,
Als wolltest stürzen du die Berge,
Der Welt verkünden Untergang."

"Schlag stärker deine Adlerschwingen,
Daß Wald und Feld zusammenkracht!
Laß schneller, greller Blitze schlingen
Als Flammenfackeln durch die Nacht!
Abdecke rasch des Bauern Hütte,
Jag' ihn aus seiner Ruh' empor,
Und wenn er fliehen will, verschütte
Mit Trümmern der Baracke Thor!

Wenn dann ein winselndes Verzweifeln
Zum Himmel schickt die Sklavenbrut
Steck' über 'm Haupt den dummen Teufeln
Der Hütte Rest in Flammenglut.
Wenn dann sie stöhnen, wenn sie weinen,
Und sterbend ächzt manch armer Wurm,
Willst du mir erst ein Riese scheinen,
Singst du mein Leiblied, König Sturm!

Er ruft's und lacht, indessen näher
Der Donner rollt, die Wolken zieh'n
Vom Forste fliegen Raben, Häher
Lautschreiend über 'n Thalgrund hin.
Des Dorfes Küster rührt die Glocken,
Zum Beten in die Kirche eilt
Der Thalbewohner Schaar erschrocken
Vom Sturm, der markdurchdringend heult,

Nur Bellrem freut dies wilde Toben;
Es lüftet freier ihm die Brust:
"Dich wackrer Held, dich muß ich loben!
Ha, welche Frische -- welche Lust!
Umrausche wilder mich und wilder,
Hauch frischer, mächtiger mich an;
Feg' aus dem Hirn die tollen Bilder,
Aus meinem Herzen Reu' und Wahn.

Zerschmettre jene, die mit Beten
Dich scheuchen wollen, König du!
Zertrete sie, wie ich zertreten
Schon oft umsonst geseufzt nach Ruh.
Ich hab geächzt, ich hab gerungen
Auf meinen Knien tagelang,
Die Geisel ward auf mir geschwungen,
Bis Blut aus allen Poren drang.

Der Kirche gab ich reiche Schätze
Und tausend Armen gab ich Brot,
Daß dies mir meine Ruh ersetze --
Umsonst! es wuchs nur meine Noth.
Und dieses Volk, das nie ertragen
Was ich ertrug, das friedlich ruht,
Wenn ich mit Seufzen und mit Klagen
Harr' auf des neuen Morgen Glut;

"Will jetzt schon betend sich empören,
Daß von dem kaum gesuchten Pfühl
Mit Donnerklang sie aufzustören
Dir's, wilder König Sturm! gefiel.
Nein rase fort! -- Und willst mein Flehen
Du Gott erhören nur einmal,
So tödt' mich jetzt im Sturmeswehen
Vernichte mich und meine Qual!"

Er senkt das Auge düster nieder.
Da hört er aus dem Schloßgemach
Herauf erschallen Friedenslieder:
Sie hallen tief im Herzen nach.
Und gegen seinen Willen lauschen
Muß er dem wunderbaren Sang,
Der selbst das wilde Sturmesrauschen
Mit Friedensallgewalt durchdrang.

Sie tönen aus der Kinder Munde
Sein Weib singt sie - Er weiß es nicht.
Er weiß nicht, daß zur selben Stunde
Des treuen Lehrers Auge bricht.
Er fühlt nur wunderbar durchdrungen,
Berührt sich wie von Geistergruß;
Doch als die Lieder leis verklungen
Ruft schauernd er: "Ambrosius!"

Der Sturm fängt mächt'ger an zu stöhnen
Und schneller zuckt der Wetterstrahl:
Doch Bellrem wagt nicht mehr zu höhnen,
Tief schauernd blickt er in das Thal.
Doch - ob ihn plötzlich Geisterhände
Berührten, bebt sein ganzer Leib -
Den Schloßpfad eilt durch's Thalgelände
Blitzschnell herauf ein bleiches Weib.

Und eh' er nur vermag zu sinnen,
Woher dies wunderbare Bild? --
Steht sie schon auf des Thurmes Zinnen
Vor Bellrem still. Ihr Herz pocht wild.
Wahnsinn im dunkeln Augenpaare
Aus geisterbleichem Antlitz lacht.
Frei fliegen ihre schwarzen Haare,
Und seltsam auch ist ihre Tracht.

Sie raunt ihm leise nur zwei Worte
In's Ohr und - plötzlich todtenbleich
Ruft, fest gewurzelt er am Orte:
"Geist der Ermordeten entweich!"
Da reißt sie von der Brust das Linnen
Zeigt, wo ihr Wunden schlug sein Stahl:
"Zuleima!" schreit er - von den Zinnen
Stürzt er verzweifelnd sich in's Thal. -

Hellflammend nach der Sturmnacht Tosen
Erwacht der Morgen heilig schön.
Als Friedensopfer flicht er Rosen
Um Tannenhaupter, Bergeshöh'n.
Es jauchzt in muntern Liedestönen
Die Lerche auf zum Himmelszelt
Und singt ein göttliches Versöhnen
Nach Sturm und Drang der Menschenwelt.

Hellflammend blitzt des Morgens Schimmer
Wie göttliche Versöhnungshuld
Auch mild in Bellrems Todtenzimmer.
Sein Tod versühnte seine Schuld.
Ja sieh' des Weibes Wimpern beben,
Des Weibes, welchem er geraubt
Sein ganzes Glück -- sie hat vergeben.
Mit Thränen netzt sie jetzt sein Haupt.

Zuleima hält die Todtenwache:
Sie traf nicht tödlich einst sein Stahl.
Doch hatte heißer Durst nach Rache
Umnachtet sie mit Wahnsinns Qual.
Durch Bellrem's Tod ist sie genesen
Und ist ihr Todeshaß versöhnt,
Daß rührend jetzt ihr ganzes Wesen
Die Glorie stillen Duldens krönt.

Und mit ihr wacht am Sterbebette
Bellrem's Gemahlin, deren Herz
Sich ihr verband an dieser Stätte
Zum Schwesterbund in Lust und Schmerz.
Viel leichter finden sich die Frauen,
Die gleicher Schmerz wie Lust beseelt,
Weil dem Gefühle sie vertrauen,
Das nun mit Gleichem sich vermählt.

Und Bellrem's räthselhafte Klagen
Sind heut erst seiner Gattin klar.
Zuleima quälte sie mit Fragen,
Bis Alles ihr war offenbar.
Dann schlang sie unter heißen Zähren
An's treue Herz die Dulderin:
"Kannst du verzeih'n? Willst du gewähren,
Daß ich dir eine Schwester bin?"

Und mit umflorten Augenliden
Küßt sie Zuleima: "Schwester du!
Dir Liebesdank!" Und "Frieden, Frieden!"
Ruft sie dem todten Frevler zu.
Und inniger umschlingen beide
Sich über Bellrem's ird'schem Rest
Und feiern so in heil'ger Freude
Ein schuldversöhnend Liebesfest! -

Erwacht ist nach der Sturmnacht Tosen
Der Morgen heilig, frühlingsschön.
Als Friedensopfer flicht er Rosen
Um Tannenhaupter, Bergeshöh'n.
Es jauchzt in muntern Liedestönen
Die Lerche auf zum Himmelszelt
Und singt ein göttliches Versöhnen
Der sturmesmüden Menschenwelt!

Druckfehler.

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" 20, " 4 " " "Da näherte", " Da nährte.
" 21, " 1 " " "Sieh‘ da", " Sie da.
" 31, " 3 " " "Fleh’n", " fleh’n.

Inhalt.

  • Meinem Freunde Emil Chrismann III
  • Prolog V
  • I. Bellrem 1
  • II. Die Botschaft 8
  • III. Die Hochzeit 14
  • IV. Die Gäste 22
  • V. Im Ammerthale 32
  • VI. Bellem's Erwachen 41
  • VII. Nach zwanzig Jahren 48
  • VII. Zuleima's Rache 52