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Das fünfte Bild

Bei der Weißensteiner Burg.
Die zwei Troßknechte Belrems treten auf, angeheitert, sie singen

  Komm, Bruder, laß uns wandern,
die Kost ist hier zu schlecht,
bis wir dann auch den andern
geschatzt und abgezecht.
Und bin ich arm im Leben,
so macht´s mir keine Pein:
es wächst mein Gut an Reben
und heißt mich fröhlich sein.
Veit: Jetzt wird es Zeit, daß wir uns trollen,
jetzt ist hier in dem Land nichts mehr zu wollen,
der Unruhstifter ist jetzt tot.
Heiner: Ja, Veit, potz Blitz und Schwerenot,
das hat der Bärwolf die Nacht nicht geträumt,
daß ihm die Sonne heute nicht mehr scheint.
Veit: Ja, ja, so kommt´s manchmal, nicht schlecht,
der Herr erschlagen von dem eignen Knecht.
Heiner: Was braucht der auch den armen Kerl zu plagen,
die Reitpeitsch um die Ohren schlagen,
man ist doch auch kein Vieh!
Veit: Und wie hat gar
der ihm gedient so manches Jahr.
War treu wie Gold, in jeder Schlacht
hat wie ein Luchs er über ihn gewacht.
hätt mir´s auch nit gefallen lassen!
Heiner: Hat ihn gleich recht gekriegt zu fassen,
sie sagen, mit dem Beil hätt er´s gemacht …
Veit: und wie mir´s scheint, nit grade sacht,
kein Muckser hat der Bärwolf mehr getan.
Heiner: Der Knecht ist fort und auf dem Dach sitzt der rote Hahn.
sie lachen
Veit, ich versteh nit viel davon,
aber so sterben ist doch wohl der Lohn
für alle Schandtat, die der Konrad hat begangen,
für seine Bosheit ist´s ihm so ergangen –
Veit: Wer weiß, wie´s mit dem Belrem geht? –
Heiner: Ja, Veit, so wie´s mit dem jetzt steht! –
Der ist zu nichts mehr zu gebrauchen,
nicht mehr zum Raufen, nicht zum Saufen;
der geht am Ende noch in´s Kloster.
Seit er zurückgekehrt ist vor´ge Oster,
leiser
wo sie zu Zwei´n den Mord begangen,
ist nichts mehr mit ihm anzufangen.
Wie ein Gespenst läuft er umher,
als ob´s der Leibhaftig selber wär.
Veit: Ja, wenn der Konrad fort, dann ist´s vorbei.
Bei dem gibt’s keine Rauferei,
auch nichts zu holen mehr,
Macht die Gebärde des Rechnens.
drum auf wir ziehn
jetzt einmal auch woanders hin.
S` wird schon sich einer finden, bei dem´s gar
so einträgt, wie´s beim Konrad war.

Er schwingt seinen Beutel, beide ziehen lachend und singend ab.
Das Käuzlein laß ich trauern im Astloch Tag und Nacht,
ich renn aus Schanz und Mauern ins offne Feld zur Schlacht,
ich pflüge mit dem Schwerte und schatzte Stadt und Land,
das Glück ist mein Gefährte und reicht mir treu die Hand,
La la la usw.
Maria: kommt, Blumen im Arm
S` ist niemand weit und Breit, drum kann ich still
am Bildstock niederknien und meinen Kummer
zur Ruhe beten – vorher aber will
ich dir, Maria, liebe Gottesmutter,
die Blumen bringen, sei du mit beglückt.
schluchzt
Es sind ja freilich Tränen drinnen,
die rannen, da ich sie gepflückt,
Tränen der Liebe, die immer sinnen
und denken muß über das finstre Gesicht
des geliebten Mannes, der unterm Gericht
des ewigen Gottes steht und stöhnt.
Kniet vor dem Bildstock.
O Maria, wenn er mit Gott versöhnt
könnt in der Seele Frieden finden,
sein Gnade ihm vergäb die Sünden!
Pause
Es ist nit eitle Liebe nur in meiner Brust,
die mich hier knien läßt und beten.
Schon als ein Kind hab ich gewußt,
daß ich muß helfen seine Seele retten.
Die Mutter flüsterte beim Beten mir oft zu
des Abends : “Nimm den Junker auch dazu!“
Und als er kam vorm Jahre an,
sein Blick verstört, düster sein Sinn
und dann die Mär, was er getan,
da hab ich´s gewußt: ich liebe ihn!
Auch wenn ich niemals ihn kann eigen nennen,
für ihn soll meine Seele brennen
grad wie ein gutes Licht, das in der Nacht
für ihn und seine Seele wacht.
Belrem ist inzwischen eingetreten, beobachtet Maria und hört ihre Worte.
O könnt ich etwas für ihn geben,
o könnt ich etwas für ihn tun!
Und kostet es mein eignes Leben,
für ihn würd ich ohn Rast und Ruhn,
wenn´s hülfe, gehen zum End der Welt,
wenn nur sein Seel dem Bösen nit verfällt
und sie nicht in der Hölle Pein
muß schmachten und verloren sein
für ewig. – Ob er es wohl ahnt,
wie sehr mein Herze um ihn bangt?
Kniet abermals nieder.
Maria, du, ich bitte dich,
in deine Lieb befehl ich mich
und ihn. Gott, laß ihn nit verkommen,
bevor du nicht sein Seel hast zu dir g´nommen.
Pause.
Und wenn ich nie … ich will nicht klagen,
wenn er nur selig wird, ich will entsagen.
Sie kniet noch eine Zeitlang still – Belrem kämpft mit sich, ob er sich zeigen soll – dann
Leb Gottes Mutter, wohl, ich geh` jetzt hin,
viel leichter ist mir´s nun im Sinn,
leb wohl!
Geht ab.
Belrem: Wehe mir, ich unglückselger Tor,
o Gott, wie komme ich mir vor
vor solcher Lieb, ich Bösewicht!
Der nicht entfliehn kann Gottes G`richt,
der ewig ist dem Tod verfallen,
der zittert in des Satans Krallen. –
Und diese Seele, dieses reine Kind,
das für mich betet und für meine Sünd
möcht sterben – und ich kann,
ich kann doch nicht, mein Leben ist vertan.
Und könnt so schön sein, ach so schön! –
Plötzlich.
Belrem, kann es denn gar nicht gehen?
Wenn du in ernster Buße knietest,
in Tränen Gott um Gnade bittest
und dann das edle Kind zum Weibe nimmst,
das rein dich macht, des Lebens Glück gewinnst,
das nie, niemals besessen du!
Des Lebens Glück, der Seele Ruh?
O Gott!
Sinkt vor dem Altar nieder. In der Ferne hört man plötzlich Kinder lachen und rufen.
Es kommen Kinder, ich will gehen,
sie dürfen so mich nicht hier sehn.
Er will sich entfernen, währenddessen springen die Kinder herein.
Rösle: Hier wollen wir es machen,
hier wollen wir singen und springen und lachen,
nehmt ihr den Strick und tut schön schwingen,
Gibt zwei Mädchen das Seil.
und wir drei wollen darüber springen,
Los!
Sie hüpfen – eines hüpft drauf.
Du bist draufgehüpft, drum kommst du dran.
So, fanget grad noch einmal an.
Ein Kind: sieht plötzlich den Junker
O je, der Junker, ich geh fort!
Sie drehen sich alle nach ihm.
Die Andern: Ich auch, kommt schnell an einen andern Ort.
Springen davon.
Rösle: bleibt
Herr Junker, ach, entschuldigt schön,
wir haben euch gar nicht gesehn.
Belrem: auf eine plötzliche Eingabe
Tut nichts, komm einmal her zu mir,
schau, dieses Ringlein geb ich dir,
sollst es der Schwester bringen und ihr sagen,
das hätte jemand ihr geschickt,
der gut ihr ist; doch darfst mir ja nicht du verraten,
daß es von mir, sonst kriegt sie´s nicht.
Rösle: O Junker, das tu gerne ich versprechen,
lieber will ich die Zunge mir abbrechen,
als daß ich´s sage! – Wie wird sie sich freun;
denn ach, Herr Junker, Heute Nacht hört ich von neuem
wie laut sie euern Namen sprach
und manchen Seufzer, manches Ach
dazu, ich glaube –
Sie stockt verlegen.
Belrem: So du glaubst!
Er küßt sie auf die Stirn.
Jetzt spring und daß du mir davon nichts schnaufst.
Rösle: Auf Wiedersehen, Herr Junker, seit gegrüßt!
Küßt ihm die Hand und springt davon.
Belrem: Wie mir mit einemale ist,
als ob mein Leben neu erwachte,
die Sonne neu vom Himmel lachte,
soll heut ich noch zu ihrem Vater gehen,
und meine Absicht ihm gestehn?
Was der wohl sagte – ach ich fass´ es kaum.
Am Ende ist es nur ein schöner Traum,
dies alles nur ein Hirngespinst
der Sehnsucht, das doch nur zerrinnt
wie Frühlingsschnee im Sonnenlicht.
Indessen erscheint Suleima am Stocke gehend, krank, ihr Gesicht trägt Spuren des Wahnsinns, sie erkennt ihn und hört seine letzten Worte.
Wird sie die Angst mir bannen können,
die auf mir lastet wie ein Stein?
die Furcht aus meiner Seele drängen,
wird das, Gott, wird das möglich sein?
Suleima: schreit auf
Dies möglich, nein, nein, Belrem, ha!
Kennst du mich noch? Dein Lieb ist da!
Dein altes, das dich nicht vergißt,
das sich in Lieb nach dir zerfrißt –
Belrem: vom Entsetzen gepackt
Suleima, du? Gespenst der Hölle, weich,
flieh, ich befehl es dir!
Suleima: zärtlich
Ja, gleich!
Nur laß mich vorher deine Lippen Küssen,
mein lieber Belrem, du mußt wissen,
des anderen Lippen sind doch stumm,
den brachtet ihr doch beide um.
Belrem: O weh, verloren –
Suleima: Belrem mein, ich möchte jetzt dein Liebchen sein,
komm küsse mich, nimm mich in deinen Arm.
Belrem: Hinweg von mir!
Er weicht zurück.
Suleima: dringt weiter auf ihn ein
Dann wird dir warm.
So kannst du deine Seele retten,
wenn du mich liebst, ich will mich an dich ketten
bis in den Tod. –
Belrem: in furchtbarer Erkenntnis
Bis in den Tod?
ha, bleibt mir denn aus dieser Not
der Seele nur der eine Weg,
der –
Suleima: Lieb, der was?
Belrem: der in den Abgrund geht,
der in das dunkel führt und zum Gericht.
Du Gott im Himmel, Schaust du nicht,
was ich gelitten, wie ich mich gesehnt
nach einem neuen Leben – gähnt
der Hölle Abgrund ewig unter mir?
Suleima: Was stöhnst du, Lieb, du glaube mir
ich liebe dich, hab viel dir zu verdanken
warum hast du so traurige Gedanken,
du wirst dich doch vor mir nicht fürchten,
meinst du, ich würde dich erwürgen,
zum Dank, daß du mir –
Belrem: Weib, schweig still,
verlange von mir, was du willst,
mein Haus, mein Schloß, mein Gut, mein Geld,
nimm alles dir, was dir gefällt,
nur geh, geh fort von meinen Augen.
Suleima: Ja Herzchen, das mag dir so taugen,
o nein, ich will nur dich und deine Seele
die ich dem Teufel dann befehle!
Ich bleibe bei dir –
Belrem: Dann schlag ich dich nieder!
Suleima: Ach nein, mein Liebchen, willst du wieder
so rotes Blut verspritzen, dessen Flecken
dein Kleid und deine Hand bedecken.
Und wenn du tötest mich, folgt dir mein Schatten -
an deiner Seele nagen Ratten
schwarze und weiße; dein Gewissen
wird immer wieder aufgerissen
von meinen Krallen -
In einer Anwandlung von Zärtlichkeit.
Belrem mein!
Belrem: Das ist, das ist ja Höllenpein!
Suleima: Was denn, was ist?
Belrem: am Ende seiner Kraft
Was ist? Das Ende!
Suleima: Komm Lieber, gib mir deine Hände,
ich halte dich –
Belrem: stürzt davon
O schnell, nur schnell
aus dieser Hölle in die andre Höll!
Springt auf die Mauer und stürzt sich hinab.
Suleima: stürzt nach bis zur Mauer und schaut hinab
Haha, da unten liegt – das Aas!
Belrem, hast dir getan etwas?
Schreit laut.
He Leute kommt, kommt! Hierher kommt
zu eurem Herren, wie es frommt.
Es erscheinen nacheinander Knechte, Mägde, und der Burgvogt und schauen entgeistert auf Suleima.
Kommt her, dort unten liegt er auf den Steinen,
tut ihn nur herzlich auch beweinen,
ihn hat die Liebe in den Tod getrieben,
laßt ihn nur schön dort unten liegen.
Burgvogt: Halt´s Maul!
Zu zwei Knechten.
Die Hexe in Gewahrsamkeit bringt.
Zu den Andern.
Und ihr holt –
Suleima: zu den Knechten, die sie greifen wollen
Ach, ihr kennt mich nicht,
ich bin sein Liebchen, das er sich
erwählt, ich hab ihn nur besucht.
Ein Diener: Regt sie nicht an, die ist verflucht,
verhext.
Burgvogt: Bringt Leitern bei und Stricke,
dort in der Mauer bei der Lücke
laßt ihr die eine nieder. – Johannes du –
Suleima: O laßt mein Liebchen doch in Ruh,
laßt süß es schlafen, bis -
Lacht tierisch.
Knecht: Bist du von Sinnen, Weib?
wie kannst du so verrücktes sagen,
weißt nicht, daß der dir deinen Volpert hat erschlagen?
Suleima: schreit nach einer Pause auf, klarsehend
Volpert? Ah Volpert, ja du bist gerächt.
Sie rast an die Mauer.
dort unten liegt der Mörder – und gar nicht schlecht.
In schneller Eingebung.
Nun brauch ich nicht mehr bleiben hier,
Volpert, jetzt komme ich zu dir!
Stürzt sich hinab.
Das Volk: schreit auf
O weh, o weh!
Burgvogt: Ihr Leute seht,
Das ist das Gottesgericht, das niedergeht,
der Herr bewahre uns vor solchem Tod.
Alle: Vor aller Schuld bewahr uns Gott!
Sie falten die Hände.
Burgvogt: Zur Mauer jetzt, wir müssen sehn,
daß wir die Leichen bergen.
Sie gehen – wie alle fort sind, stürzt Maria herein.
Maria: sinkt am Bildstock nieder
O, es ist geschehn,
das Schreckliche, was meine Seele sah
in manchem Traum, nun ist es da.
Sie weint.
Maria, Mutter Gottes, hör dein Kind,
nimm mich aus dieser Welt geschwind
und laß mich sterben – was tu ich noch hier?
was will das Leben noch von mir
Pause.
Dir weih ich mich für´s ganze Leben,
in´s Kloster werd ich gehen und beten
an jedem Tag, den Gott mir läßt,
daß es sein arme Seel erlöst
aus aller Qual und aller Pein -
Maria, du wirst mit mir sein!
Sie kniet noch eine Zeit still, dann geht sie hinaus.
In der Ferne hört man wieder singen: es ist ein Schnitter,
Heißt der Tod.

Der Nachspruch

Ein Herold: tritt auf

Das Spiel ist aus,
geht still und ruhig jetzt nach Haus
und denkt in eurem Herzen dran,
was aus dem Menschen werden kann,
der sich vom Bösen lässet treiben
und immerdar darin muß bleiben;
der durch die eine böse Tat
nicht eine Stunde Ruhe hat,
von dem Gewissen wird getrieben,
bis er am Ende so bleibt liegen;
ohn Gottesgnade, ohne seine Huld,
auch noch im Tod verstoßen durch die Schuld.
Geht heim und haltet eure Seelen rein, der ew`ge Gott mag mi euch sein!
Geht ab.

Buchdruckerei Chr. Layer, Pforzheim