Ausschnitt aus "PFORZHEIM’S VORZEIT.
FÜR PFORZHEIM UND SEINE UMGEBUNG", Teil 4 vom 24.01.1835

DIE HOCHZEIT ZU TÜBINGEN.

EINE HISTORISCHE SKIZZE.

Der Uebel größtes ist die Schuld. Schiller

(Schluß.)

Unsere Geschichte macht nun einen Sprung von etwa zwanzig Jahren. Während dieser Zeit hatte sich Vieles geändert. Die Burg Belrems war unterdessen von den Freunden des ermordeten Volberts erstürmt und zum Theil zerstört worden. Ambrosius konnte sie erst nach vielen Jahren in den vorigen Stand versetzen. Kaiser Friedrich II. war indessen gestorben. Man sagt, dieses Ereigniß hätte Belrem bewogen, wieder in seine Heimath zurückzukehren. Er soll lange Zeit zu Rom als Laienbruder in einem Benediktinerkloster Buße gethan haben. Wir können es nicht verbürgen. Er erschien nach Verfluß von zwanzig Jahren wieder auf der Burg seiner Väter mit einer Gemahlin und zwei Kindern, Belrem und Berthold. Aber auch die elterlichen Freuden konnten seinen nagenden Kummer nicht austilgen. Er war fünfzig Jahre alt. Seine Haare und der Bart war ergraut, nur sein Gram war jung geblieben. Wie früher, lebte er meistens allein. In seinen finstern Stunden wüthete er furchtbarer als in früheren Jahren, und selbst der 80jährige Ambrosius konnte ihn nicht mehr besänftigen.

Einst, so melden die Chronikschreiber jener Zeit, sey, als Belrem’s Gemahlin mit ihren zwei Knaben um Mitternacht knieend am Bette des sterbenden Ambrosius gebetet hätten, ein wahnsinniges Weib in seltener Tracht, das rabenschwarze Haar aufgelöst, geisterblassen Angesichtes und mit wildem Auge in der Burg Weißenstein erschienen. Wie sie hereingekommen, habe man nie erfahren können. Wir glauben, es war Zuleima. Sie war lange an einer schweren Wunde darniedergelegen, wurde zwar am Körper gesund, der Geist aber erkrankte auf immer. Mit Blitzesschnelle sey sie die Wendeltreppe hinaufgestiegen zum Thurme, von wo Belrem in dumpfer Verzweiflung hinausgeschaut habe in die Mitternacht; ein Gewitter sey aufgestiegen, und die Bewohner des Thals durch das Rollen des Donners im Innersten erschreckt, hätten sich in die Kirche geflüchtet, um zu beten. Da sey das Weib vor Belrem hingetreten und hätte ihm einige Worte in das Ohr geflüstert, worauf sie schnell verschwunden sey. Die Mutter und die Kinder am Sterbebette des Vaters Ambrosius hätten gleich darauf einen dumpfen Fall vernommen, verbunden mit dem Röcheln eines Sterbenden, Ambrosius hätte nicht lange nachher den Geist aufgegeben. Es war Belrem; er hatte sich von der Zinne der Burg herabgestürzt in den Schloßhof. — Ambrosius und Belrem wurden mit einander begraben. Das Gerücht gieng aber lange im Thale, Belrem sey nicht begraben worden, sondern der Teufel habe ihn um Mitternacht vom Thurme herabgeschleudert, ihn in Stücke zerrissen und die Theile in alle vier Winde gestreut. Zuleima soll in einem Tage mit Belrem’s Gemahlin, bald nach Belrem’s Tode gestorben seyn. So verwelkte diese Blume des südlichen Himmels, zu früh geknickt von der rauhen Nordluft Europens. Belrem’s Söhne blieben ehelos. Noch jetzt will der Landmann in den Ruinen des traurigen Schloßes Weißenstein um Mitternacht klagende Töne einer Menschenstimme vernehmen, und schon öfters soll eine hohe Gestalt im Dunkeln des Burghofes erblickt worden seyn.

War es der Geist Belrem’s? Wir wissen es nicht.

Unter Verantwortlichkeit von G. Lotthammer.
Drucker: K. F. Katz