Ausschnitt aus "PFORZHEIM’S VORZEIT.
FÜR PFORZHEIM UND SEINE UMGEBUNG", Teil 3 vom 17.01.1835

DIE HOCHZEIT ZU TÜBINGEN.

EINE HISTORISCHE SKIZZE.

Der Uebel größtes ist die Schuld. Schiller

(Fortsetzung.)

Da schwollen die Adern auf des Vaihingers Stirne, und sein glühendes Gesicht färbte sich blau vor Wuth, er sprang mit einem fürchterlichen Fluche von seinem Sitze auf: Du wagst es, Bube, einem Ritter wegen einer fremden verlaufenen Dirne die Ehre zu rauben? Beide zogen augenblicklich die Schwerter, ein kurzes Gefecht entstand, in welchem Konrad eine leichte Wunde erhielt.

Sie haben den Burgfrieden gebrochen, reißt sie auseinander, schrie der alte Pfalzgraf; sogleich wurden beide von einander getrennt. Der Vaihinger rieß Belrem, der noch immer in todtähnlichem Zustande da saß, mit sich zum Saale hinaus und beide verließen sogleich mit ihrem Gefolge das Schloß.

Die Freude der Gäste war durch diesen Auftritt gewaltsam unterbrochen worden, und es dauerte geraume Zeit bis die Erinnerung an die störende Begebenheit einigermaßen verwischt war. Die Frauen zogen sich gegen Abend in ihre Gemächer zurück, oder verließen das Schloß. Aber die Ritter zechten noch bis zum folgenden Morgen unter Gesang und Musik. Volbert und Zuleima wollten, von einem einzigen Knappen begleitet, noch vor Mitternacht das Schloß verlassen.

Es war eine sternenhelle Sommernacht. In dem schönen Thale bei Tübingen, das von einem kleinen Fluße den Namen Ammerthal führt, sah man zwei Reuter auf fliegenden Rossen dahineilen. Es waren Belrem und Konrad, der Währwolf. Sie hatten ihr Gefolge heimgeschickt, gleichsam, als ob sie eine That vollbringen wollten, bei der kein Zeuge dürfte anwesend seyn. Beide waren durch Trunk und Wuth bis zum Wahnsinne außer sich. Das ganze Thal war still, nur hörte man bisweilen die fröhlichen Stimmen im Schloße zu Tübingen, dessen Fenster man durch die Nacht schimmern sah; oder das Glöcklein in der Kapelle, die von einem schönen Berge in der Nähe herabschaut. Sie aber vernahmen ihn nicht, den Klang, der die Gemüther zur Andacht ruft, fürchterliche Gedanken wälzten sie in ihrer Brust. — Bald war das weite Thal hinter ihnen, als sie still hielten und abstiegen. Am Abhange eines Hügels, nicht weit von der Straße lagerten sie sich. Es war eine Todtenstille. Die Mitternacht rückte immer näher heran. Endlich unterbrach der Vaihinger das Stillschweigen.

Die Geschichte mit der Dirne scheint mir sonderbar, wie traft Ihr im Morgenlande mit dem Mädchen zusammen? Da erfaßte Belrem eine entsetzliche Wuth, er ballte die Fäuste und hob sie gen Himmel empor, als ob er diesem fluchen wollte.

Die Geschichte ist kurz, sprach er mit verbissenem Ingrimm, und begann nach einer Weile, wie es ihm seine trunkene Wuth erlaubte, in abgebrochenen Sätzen zu erzählen:

"Wir lagen vor Jerusalem, der Kaiser wollte den Sultan zu einem Waffenstillstande zwingen. Der Poltringer und ich waren viel beisammen, ich kannte ihn von Jugend auf; bei der Hölle, ich habe ihn geliebt wie meinen Bruder! Er erzählte mir einst, eine Heidin sey gefangen worden, und kaum hätte er es vermocht, sie vor Mißhandlungen zu schützen, ihr Vater und ihre Brüder seyen in den Gefechte gefallen, und sie habe nichts von ihm gebeten, als den Tod. Unversehrt habe er sie wieder zurückgeschickt, nachdem er ihr die Rose, welche er auf seinem Helme getragen, zurückgelassen.

"Es war Mitternacht, fuhr Belrem fort, und ich hielt am äußersten Platze des Lagers allein Wache. Der Mondschein zeigte mir eine weibliche Gestalt, die sich auf mich zu bewegte. Plötzlich stand sie vor mir."

Hier hielt Belrem inne, als ob ein Schauer ihn durchrießelte.

"Sie war es, die Ihr gesehen. Mein Athem wollte stocken und mir schwindelte sehr. Sie redete mich an, ich verstand nicht ihre Sprache. Da zeigte sie mir eine Rose, es war des Poltringers Abzeichen. Nun verstand ich sie, sie wollte ihn sprechen. Aber ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen."

"Du sollst mein werden, schwur ich, und wenn es mich mein Leben kosten sollte."

"Ich täuschte sie und führte sie zu einer Jüdin, die sie bewachte. Sie weinte viel, die Elende, meine rasende Liebe rührte sie nicht. Ich bat, ich fluche, weinte und drohte; umsonst! Ich marterte sie und betete sie wieder an, sie haßte mich. Tod und Verderben! Eines Morgens war sie verschwunden. Sie hatte die Jüdin überwältigt und war geraden Weges in des Kaisers Zelt geflohen, mich anzuklagen. Volbert verwundete mich stark. — Die Erzählung ist zu Ende. Ich gab der Jüdin nebst meinem Gelde noch einen geheimen Auftrag, und ergriff, trotz meiner Wunde die Flucht. Ehe ich das Schiff bestieg, erfuhr ich, daß das Gift seine Wirkung gethan habe. Ein finst’rer Geist verfolgte mich, ich trauerte um die Beiden — und heute sah ich sie lebendig! —"

"Helfe mir der Böse, ich mag nimmer leben nach dieser Schmach! Aber Rache will ich nehmen. Sie müssen sterben! "Ein Fluch besiegelte das furchtbare Wort. "Und ich habe auch eine Schuld abzutragen, schrie der Vaihinger, und will’s getreulich vergelten! Sie können nicht mehr lange ausbleiben, um Mitternacht wollen sie das Schloß verlassen."

Unterdessen hatte sich eine düstere schwarze Wolke vom Gebirge herüber in das Thal gezogen und hatte den ganzen Himmel umhüllt. In der Ferne hörte man schon den Donner rollen. Ein kleiner Luftzug, der Vorbote der Gewitter, hatte das Thal durchweht, das immer dunkler und nächtiger wurde, wie die Thäler der Unterwelt. Man vernahm schon starke Donnerschläge. Belrem und Konrad näherten sich der Straße, gleich dem Tiger, der seiner Beute auf der Spur ist. In beiden hatte der Wein noch sichtbare Spuren der Trunkenheit zurückgelassen. Horch, rief Belrem, ich höre Hufschlag. "Hörst du seine Stimme, er schmeichelt der Dirne," flüsterte der Währwolf tückisch. Der Donner rollte immer fürchterlicher. Ein Blitzstrahl fiel auf die gezogenen Schwerter. Halt, Schurke, schrie der Vaihinger, und beide stürzten aus ihrem Hinterhalte hervor. Furchtbarer Donner übertäubte das wüthende Gefecht, ein zermalmender Blitz und ein furchtbarer Schlag folgten. Es war tiefe Stille. — Die Ritter waren verschwunden.

Das Erwachen des zum Tode verurtheilten Verbrechers am letzten Morgen kann nicht gräßlicher seyn, als das Erwachen Belrems nach der fürchterlichen Nacht. Entsetzliche Träume hatten ihn, als er schlief, gefoltert, jetzt marterten ihn die furchtbarsten Gewissensbisse. Seine Burg war ihm zu eng, und doch mochte er nicht hinaustreten in’s Freie, entsetzlich quälte ihn die Einsamkeit, und doch floh er die Menschen, er versuchte zu beten, aber er konnte seine Gedanken nicht erheben gen Himmel. Da fielen ihm die Worte des Vater Ambrosius ein. Er raufte sich die Haare, er schlug sich mit Fäusten und verfluchte den Tag seiner Geburt. Gegen Mittag war er aus Weißenstein verschwunden. Einen Knappen hatte er noch vorher zu Konrad v. Vaihingen geschickt mit allen Schätzen, die er auf seiner Burg hatte, mit dem Auftrage, der Währwolf möge ein Kloster damit stiften. Durch ebendenselben Diener ließ er dem Vater Ambrosius sagen, er möchte für seine Seele beten, und während seiner Abwesenheit als Burgvogt Weißenstein schirmen.

Der Vaihinger erbaute noch kurz vor seinem Tode mit Belrems und seiner eigenen Stiftung das Kloster Reichertshofen. Ihn ereilte die Rache bald, einer seiner Knechte, dessen Vater er erschlagen, erstach er hinterrücks. Der Währwolf liegt in Reichertshofen begraben.

(Schluß folgt.)

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